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Das neue Öl

Wir alle haben ihn schon gehört, den Spruch, dass Daten das neue Öl darstellen. Obwohl ich nach den exorbitanten Übergewinnen der Mineralölkonzerne den Vergleich für etwas übertrieben halte, enthält er einen wahren Kern. Nicht umsonst liegen Datenkraken wie Amazon, Google oder Meta überall auf der Lauer, um an unser Bestes zu kommen, womit sie natürlich alle Daten meinen, derer sie habhaft werden können.
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Michael Stal

Chefredakteur von JavaSPEKTRUM


  • 26.05.2023
  • Lesezeit: 5 Minuten
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Das haben sie im Übrigen mit Industriespionen und Wanzen gemeinsam, wobei ich bei Letzteren nicht die Insekten der Gattung Heteroptera meine, die zur Ordnung der Schnabelkerfe (Hemiptera) gehören. Jetzt sind sie hoffentlich beeindruckt wegen dieser Details, die ich in Windeseile und gekonnt bei Wikipedia nachschauen konnte, nachdem Google mir die entsprechenden Suchergebnisse auf dem Tablet(t) serviert hat.

Spione gibt es inzwischen zur Genüge auch auf Mobilgeräten und Computern. Und Heimautomatisierung öffnet die Tür zu noch intimeren Details unserer Privatsphäre. Für datenverarbeitende Konzerne ist all dies ein wahrer (Geld-)Segen, den wir Konsumenten gerne unterschätzen. Ich sehe eine Zukunft, in der künstliche Intelligenz wie eine moderne Fee noch lange vor uns weiß, welche innovativen Produkte und Dienste wir uns sehnlichst wünschen, um diese dann automatisch zu produzieren und stante pede an uns zu liefern – gegen eine angemessene Flatrate natürlich, ganz nach dem Motto all-you-can-wish.

Schon heute zahlen wir selbstverständlich und ohne mit den Wimpern zu zucken mit unseren Daten, oft ohne es zu bemerken, egal ob mit Payback-Card oder beim Online-Shopping. Erinnern Sie sich an die Begegnung mit dieser netten Verkäuferin, die es so gut mit Ihnen meinte und Ihnen mit verlockenden Rabatten die Kundenkarte schmackhaft gemacht hat? Falls Sie glauben, das wäre eine gute Tat des Verkaufspersonals gewesen, sollten Sie sich jetzt ganz fest halten. Es war wirklich eine gute Tat, aber zugunsten des jeweiligen Unternehmens. Denken Sie auch an die vielen Spam-Mails und sonstigen Werbesendungen, mit denen man Sie so reich beschenkt hat, kurz nachdem Sie das erste Mal bei diesem so unglaublich günstigen Webshop Ihren Einkauf tätigten.

Dass Rabatte und Gewinne im menschlichen Gehirn einen uralten Instinkt auslösen, machen sich auch Unternehmen zunutze, die mit sagenhaften Prämien und Gewinnen bei ihren Preisausschreiben locken. Keiner wundert sich darüber, dass er dabei weder selbst einen Gewinn absahnen konnte noch jemand anderen kennt, dem dieses Glück beschieden war. Letztendlich geht es auch hier nur um Daten, nämlich um Ihre Adresse und im günstigsten Fall um Ihre E-Mail plus Telefonnummer.

Der Wert solcher Datensammlungen lässt sich daran messen, welchen Obolus Interessenten für den Kauf dieser Adressen auf den Tisch legen müssen. Und das ist noch nicht einmal die dunkelste Seite. Im Darknet ist es gang und gäbe, dass Hacker die Login-Daten und Kreditkarteninformationen unwissender Nutzer zu Geld machen. Die Bezahlung funktioniert selbstverständlich über den Transfer von Bitcoins, da die Geschäftspartner Kreditkartenzahlungen oder Onlineüberweisungen für zu unsicher und nicht anonym genug halten.

Zum Glück oder zum Pech, je nach Perspektive, hinkt der Staat bei der Digitalisierung dermaßen weit hinterher, dass er gar nicht auf die Idee kommt, sinnvolle Maßnahmen umzusetzen. Würde man die heutigen Systeme geeignet erneuern, wäre zum Beispiel

das Aufspüren von illegalen Geldströmen und Schwarzgeld überhaupt kein Problem mehr. Natürlich könnte ein Politiker zum Beispiel auch das Bargeld abschaffen wollen, und schon wäre der Bürger unter staatlicher Kontrolle. In diesem Zusammenhang lässt Orwells „1984“ grüßen, zumal die Dystopie nur deshalb funktioniert, weil sie auf der propagandistischen Manipulation gläserner Bürger beruht.

Könnten wir den englischen Philosophen Francis Bacon heute wieder zum Leben erwecken, würde sein berühmter Ausspruch „Wissen ist Macht“ heutzutage wohl eher „Daten sind Macht“ lauten.

Wo es viele Daten gibt, braucht es wie beim Öl entsprechender Raffinerien, die aus den Rohdaten wertvolle Information extrahieren. Ansonsten sehen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Hier sind jene klar im Vorteil, die zum einen stets über große und aktuelle Datenvolumina verfügen und zum anderen über geeignete Methoden, um aus diesem Wertstoff die benötigte Information zu generieren.

Wer könnte das sein? Genau, das sind zuallererst die großen Internetkonzerne, deren Macht sich mit jedem Tag und mit den dabei gewonnenen Daten fester zementiert. Da könnte man doch glatt auf die Idee kommen, dass sich auch per Internet Wahlen beeinflussen lassen, aber das gehört selbstverständlich ins Reich der Fantasien. Wer würde schon auf solche Ideen kommen? Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Warum ich diese lange, tiefschürfende Einleitung für das Schwerpunktthema der heutigen Ausgabe gewählt habe, liegt auf der Hand. Daten fungieren tatsächlich als Treibstoff für die überwiegende Mehrheit heutiger Anwendungen. Moderne Geschäftstransaktionen sind ebenso aus Daten gestrickt wie KI-Anwendungen in Forschung und Industrie, die staatliche Verfolgung von Kriminellen oder die Datenerfassung ferner Galaxien mit Clustern von Teleskopen, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Daten an und für sich sind per se neutral, können aber zu Dual-Use-Werkzeugen mutieren, setzt man sie entsprechend ein oder kombiniert sie auf intelligente und raffinierte Weise. Informatiker sind dafür verantwortlich, Technologien, Algorithmen und Techniken zu erfinden, um großer Datenmengen Herr zu werden. Gleichzeitig tragen sie aber auch dafür Verantwortung, dass ihre Erfindungen und Arbeitsergebnisse nicht auf unethische Weise zum Einsatz kommen.

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Michael Stal

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Prof. Dr. Michael Stal beschäftigt sich bei der Corporate Technology der Siemens AG mit Software- und Systemarchitekturen, Digitalisierung und KI. An der University of Groningen hält er Vorlesungen und betreut Doktoranden. Außerdem ist er Chefredakteur von JavaSPEKTRUM.


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