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„Der Data Scientist ist der Starkoch“

BI-Spektrum sprach mit Shawn Rogers, Senior Director Analytics Strategy bei Tibco, über die Ausrichtung seines Unternehmens, den Erfolg von Self-Service-BI und darüber, was Michelin-Stern-dekorierte Restaurants mit Advanced Analytics zu tun haben.

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Christoph Witte

Chefredakteur IT Spektrum und BI-Spektrum


  • 17.10.2019
  • Lesezeit: 8 Minuten
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BI-Spektrum: Tibco ist in verschiedenen Teilmärkten unterwegs wie Cloud Integration, Data Preparation, Data Management, Analytics, Business Intelligence, KI und vielen anderen mehr. Was ist der gemeinsame Nenner all dieser Aktivitäten?

Rogers: Daten. Sie sind das Verbindungsglied für alle unsere Aktivitäten. Es geht darum, aus Daten Werte zu erzeugen und mit Daten ein Unternehmen voranzutreiben. Ein weiterer gemeinsamer Nenner ist, dass mehr und mehr Unternehmen erkennen, dass Daten und die Erkenntnisse daraus enorme Bedeutung haben in Bezug auf digitale Innovationen.

BI-Spektrum: Wie gehen Unternehmen mit digitaler Innovation um? Nehmen sie die damit einhergehenden Herausforderungen an oder verhalten sie sich eher zögerlich?

Rogers: Das hängt sicher vom jeweiligen Unternehmen ab, aber in unseren Märkten setzt sich die große Mehrheit der Unternehmen mit Nachdruck damit auseinander. Viele Unternehmen arbeiten hart daran, die bestmögliche digitale Strategie umzusetzen. Die letzte Dekade hat gezeigt, dass Unternehmen, die agil arbeiten und schnellere Entscheidungen auf Basis der ihnen zur Verfügung stehenden Daten treffen können, erfolgreicher sind als ihre langsameren Konkurrenten. Die agilen Unternehmen entscheiden schneller und innovieren zügiger. Unsere eigenen Studien bestätigen das.

BI-Spektrum: Sehen Sie einen Unterschied zwischen Europa und den USA?

Rogers: In Bezug auf Innovation sind drei grundlegende Fragen wichtig: Wie geht man mit den Menschen um? Wie gestaltet man die Kultur? Wie steuert man Technologie? In den unterschiedlichen Weltregionen adressieren Unternehmen diese Fragen unterschiedlich und mit unterschiedlicher Priorität. In Nordamerika scheint Technologie als das wichtigste Werkzeug gesehen zu werden, in das am meisten investiert wird. 41 Prozent der nordamerikanischen Unternehmen beginnen ihre digitale Transformation mit Technologieprojekten. Im asiatisch-pazifischen Raum ist das anders. Dort liegen die meisten Anfangsinvestitionen im kulturellen Bereich, wenn es um Innovation geht. Es gibt natürlich auch Unterschiede zu den Märkten in Europa, Mittlerer Osten und Afrika (Emea). Aber das hängt ebenfalls mit dem digitalen Reifegrad und den regulatorischen Bedingungen zum Beispiel in Europa zusammen.

BI-Spektrum: In Deutschland haben die Unternehmen häufig Angst, mit ihrer digitalen Transformation zu scheitern. Wie sehen Sie das?

Rogers: Einige Länder, dazu gehört auch Deutschland, haben einen ausgeprägten Sinn für ihren Umgang mit Daten, vor allem für den mit personenbezogenen Daten. Von dieser Einstellung hängt es auch ab, wie aggressiv Unternehmen datenbasierende Innovation angehen. Einige Unternehmen treiben Innovationen auch zu weit, nur weil es geht und die Daten das hergeben. Andere sind da aufgrund kultureller Gegebenheiten zurückhaltender. Deshalb ist Kultur immer Teil der Innovationsgleichung. Und ich glaube, dass nordamerikanische Unternehmen in dieser Hinsicht aggressiver sind. Sie probieren mehr Dinge schneller aus.

BI-Spektrum: Bei welchen Themen setzt Tibco seine Prioritäten?

Rogers: Wir haben in den letzten 18 Monaten einiges in unsere Fähigkeiten bezüglich Datenvereinheitlichung (Unifying Data) und unser Analytics-Portfolio investiert. Aber ich würde nicht so weit gehen, eines der Themen einem anderen vorzuziehen. Ein weiteres großes Thema ist für uns das Thema „Augmented“ BI bzw. „Augmented“ Analytics. Der Trend geht weg von klassischen BI-Lösungen und hin zu Data-Science-orientierten Lösungen, die anstatt der rein historischen Betrachtung von Daten auch Blicke in die Gegenwart und Zukunft erlauben. Das versuchen wir unter anderem mit unseren Streaming-Lösungen zu bewerkstelligen, die quasi eine Echtzeitbetrachtung der aktuellen Ereignisse in einem Unternehmen erlauben. Einige Unternehmen benötigen solche Echtzeiteinblicke, andere brauchen vorausschauende Betrachtungen. Hier kommen Advanced Analytics, Machine Learning und Künstliche Intelligenz in den Fokus. Das macht unsere drei wichtigsten Bereiche komplett: Connecting, Unifying, Augmenting. Unsere verschiedenen Lösungen fallen alle in eine dieser drei Kategorien. Auf diese Weise können wir unsere Kunden bei den Aufgaben abholen, vor denen sie gerade stehen.

BI-Spektrum: Bereit zu sein, den Kunden bei seinen Aufgaben abzuholen, klingt auf der einen Seite sehr schlau, auf der anderen Seite sehr bescheiden. Bescheidenheit war bisher nie eine Zierde der IT-Industrie – hat sie inzwischen dazugelernt?

Rogers: Ich kann natürlich nicht für die IT-Industrie sprechen. Aber ich denke, schlaue Unternehmen haben das schon lange bemerkt. Unsere Aufgabe ist es, in unserem Kernbereich – den Daten – unseren Kunden einige Schritte voraus zu sein, damit wir sie jederzeit unterstützen können.

BI-Spektrum: Warum ist Datenvirtualisierung so wichtig für Tibco?

Rogers: Unsere Kunden haben ihre Daten heute nicht mehr an einem Ort oder in nur ein oder zwei Systemen. Wenn sich Daten in verschiedenen Applikationen und Datenbanken befinden, brauchen die Unternehmen Werkzeuge, um diese vielen verschiedenen Datenquellen zu nutzen. Mit Datenvirtualisierung können sie einen zentralen Datenbrunnen etablieren, auf den von allen im Unternehmen zugegriffen werden kann. Für Organisationen, deren Erfolg von den Daten und dem schnellen Zugriff auf diese Daten abhängt, ist eine solche Datenquelle enorm wirksam. Sie macht auch den Data Scientists, die heute noch sehr häufig viel zu lange nach Datenquellen und Zugriffsberechtigungen suchen müssen, das Leben sehr viel leichter.

BI-Spektrum: Wird diese Virtualisierungsschicht Data Lakes und Data Warehouses ersetzen?

Rogers: Nein. Unternehmen werden für bestimmte Projekte und Workloads nach wie vor Data Lakes und Data Warehouses benötigen. Aber sie brauchen die Virtualisierungsschicht, um diese Daten, die auch aus DWHs und DLs stammen können, für eine breitere Nutzerschaft zur Verfügung zu stellen. Vor 20 Jahren hatten nur einige Spezialisten Zugriff auf diese Daten, das hat sich nach und nach geändert. Heute können Zehntausende Mitarbeiter eines Unternehmens auf Daten zugreifen – das kann ohne Datenvirtualisierung nicht sichergestellt werden.

BI-Spektrum: Tibco will Analytics einfacher machen, nicht zuletzt deshalb, damit mehr Leute im Unternehmen Zugriff auf die Daten bekommen und leichter damit umgehen können. Wie soll das vor sich gehen?

Rogers: Wir arbeiten da mit „Personas“, also verschiedenen Rollen von Kunden, die unterschiedliche Bedürfnisse haben. Eine „Business-Persona“ hat ganz andere Ansprüche an die Daten als eine „Data-Scientist-Persona“. Letztere benötigt sehr viel mehr Möglichkeiten der Aggregation und Analyse, dafür muss der Umgang mit dem jeweiligen Tool aber auch nicht so einfach sein, weil sich diese Leute technisch besser auskennen. In vielen unserer Tools reagieren wir auf diese unterschiedlichen Bedürfnisse und unterschiedlichen Kenntnisstände. Ein weiterer Weg zur einfacheren Nutzbarkeit ist die Integration unserer Werkzeuge miteinander. So können Sie zum Beispiel in einem BI-Dashboard durchaus auf Advanced-Analytics-Möglichkeiten zugreifen, ohne Data Scientist zu sein.

BI-Spektrum: Unterscheidet sich Ihr heutiger Ansatz der Vereinfachung auf der Nutzerseite einerseits und der besseren technischen Interaktion der Produkte untereinander andererseits vom traditionellen Self-Service-Ansatz, über den wir seit zehn Jahren reden, der aber nicht zu einer großen Ausweitung der Nutzerzahl geführt hat?

Rogers: Dem möchte ich widersprechen. In Zehntausenden von Fällen hat Self-Service-BI sehr gut funktioniert. Es ist einfach eine Frage der Reife der Unternehmen. Der Bedarf an Datenauswertung ist sehr viel größer geworden, entsprechend hat sich die Technologie entwickelt. Das lässt sich ein bisschen mit einem Sternerestaurant vergleichen. Da gibt es einen Michelin-Stern-dekorierten Chefkoch, der sich die ganzen Rezepte ausdenkt und verwirklicht. Gleichzeitig gibt es aber in einem solchen Restaurant viele Köche, die spezialisierte Einzelaufgaben übernehmen, den Chefkoch unterstützen und seine Zubereitungsideen dann später routiniert umsetzen. Und irgendwann werden dann ambitionierte Restaurantgäste nach dem Kochbuch des Starkochs beginnen, die Rezepte ebenfalls nachzukochen. Der Data Scientist ist der Starkoch, aber wenn er die richtigen Tools hat, kann er die von ihm entwickelten Modelle teilen und Business-User können sie ebenfalls anwenden.

BI-Spektrum: Wie wichtig ist Automatisierung für die weitere Entwicklung des BI/Analytics-Markts?

Rogers: Sehr wichtig. Wir haben im letzten Jahr Unternehmen nach ihren größten Herausforderungen im Bereich BI/Analytics gefragt. Eine davon war die Automatisierung einfacher und wiederholbarer Aufgaben und die Teilautomatisierung komplizierter Aufgaben. Wenn Analytics im Unternehmen skalieren soll, müssen Sie Ihre Analytics Practices automatisieren, vereinfachen, standardisieren und regulieren. Aber ich möchte noch einmal betonen: Einfache Aufgaben werden zwar automatisiert, aber komplexe Analysen werden immer von Menschen unterstützt werden müssen – das bleibt auch im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz und Deep Learning richtig.

BI-Spektrum: Wie hat die Künstliche Intelligenz Tibco verändert?

Rogers: Künstliche Intelligenz ist inzwischen eine der fundamentalen Technologien, auf denen wir unsere Produkte und Services aufbauen. Das sind insgesamt drei Grundsteine. Neben KI bezeichnen wir Offenheit und Cloud native noch als Fundamente unserer Arbeit. Mit KI machen wir beides: Wir bieten es als Service und Applikation an, aber wir benutzen es auch innerhalb unserer Produkte, um unseren Kunden das Leben zu erleichtern.

SHAWN ROGERS
ist ein international anerkannter Stratege, Vordenker, Sprecher und Autor, der sich auf Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, Analytik, Business Intelligence, Cloud, IoT, Big-Data- und Social-Media-Technologien spezialisiert hat. Er hat zwei Internet/ Medien-Start-ups gegründet, darunter das BeyeNETWORK, die größte und meistgelesene Online-Community für Analytics, BI, Data Warehousing und Data Integration, die 2010 an TechTarget verkauft wurde. Derzeit ist Rogers Senior Director of Analytic Strategy bei TIBCO Software, daneben arbeitet er auch als Dozent für den TDWI.

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Christoph Witte

Chefredakteur IT Spektrum und BI-Spektrum
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Christoph Witte ist Gründer der Wittcomm Agentur für IT, Publishing und Kommunikation. Darüber hinaus ist er Chefredakteur von IT Spektrum sowie BI-Spektrum und wirkt zudem bei dem Magazin JavaSPEKTRUM mit.


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