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Ein Blick in die Kristallkugel

Das Jahr 2022 neigt sich dem Ende entgegen, wenn Sie dieses Heft in Ihren Händen halten. Das ist traditionell die Zeit für Jahresrückblicke und Prognosen für das Folgejahr. Und auch wir aus Fachbeirat und Redaktion haben wieder unsere Kristallkugeln vom Speicher geholt, fleißig poliert und hineingeschaut. Ein paar der Kristallkugeln waren leider verliehen, weshalb nicht alle Kolleginnen und Kollegen einen Blick wagen konnten. Was wir dabei gesehen haben, erfahren Sie auf den folgenden Seiten – wie immer sehr unterschiedliche Sichtweisen und Schwerpunkte. Vielleicht ist die ein oder andere Inspiration für Sie dabei. Ich würde mich darüber auf jeden Fall sehr freuen.
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Uwe Friedrichsen

CTO, Softwerker & Herausgeber IT-Spektrum


  • 16.12.2022
  • Lesezeit: 6 Minuten
  • 81 Views

Herausgeber: Uwe Friedrichsen

2022 war ein Jahr der Krisen – ein großartiges Jahr für die Medien, die sich begeistert von Panikmeldung zu Panikmeldung geschwungen haben. 2023 werden wir die Folgen wahrscheinlich auch in der IT spüren. Die altbackenen Unternehmen werden auf Teufel komm raus IT-Kosten sparen. Die modernen Unternehmen werden in Digitalisierung und Beschleunigung der IT-Wertschöpfungsketten investieren, weil sie verstanden haben, dass Resilienz gegenüber den ganzen unvorhersehbaren Ereignissen heute nur noch mit einer schnellen und flexiblen IT möglich ist. So gesehen werden wir 2023 gut erkennen können, wie das Verhältnis zwischen altbacken und modern in Deutschland ist. Mein persönlicher Wunsch ist, dass das Thema Nachhaltigkeit einen festen Platz in der IT erhält. Aktuell stehen die Zeichen dafür gut. Ich hoffe nur, dass das derzeitige Momentum über das Managen all der bisherigen und kommenden unerwarteten Ereignisse nicht zum Erliegen kommt. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, was uns das Jahr 2023 in der IT bringen wird!

Wolfgang Keller, object architects

Helft endlich, Energie clever einzusetzen!

Vor ca. 10 Jahren habe ich mit einem guten Bekannten unter anderem über die Möglichkeiten intelligenter Stromnetze gesprochen. Als ich jetzt hier aufgefordert wurde, in die Kristallkugel zu schauen, ist mir dieses Gespräch wieder eingefallen und ich habe ihn angerufen. Wir beide waren uns einig, dass nicht allzu viel passiert ist. Alles, was moderne Informatik ausmacht, erfordert Elektrizität. Ohne elektrische Energie keine KI, keine moderne Programmierung, keine Industrie, Agilität mit der Kerze auf dem Tisch. Auch ohne die politische Diskussion über Grundlast zu führen, könnte man sehr viel tun, um vorhandene Energie zu den Zeiten zu nutzen, in denen sie billig zur Verfügung steht. Und man kann damit die benötigte Grundlast reduzieren. Informatik kann extrem dabei helfen, den Verbrauch zu steuern oder zu senken. Vielleicht braucht es genau den Schock, um hier vorwärtszukommen, so wie COVID-19 einen Schub für die Digitalisierung gegeben hat. Ein ehemaliger Chef von mir hatte bei jeder eintreffenden schlechten Nachricht den folgenden Spruch: „Das müssen Sie als Chance auffassen – Das müssen Sie gestalten – Da müssen Sie ein Projekt draus machen“. Durch die Krise haben wir als Informatiker auch tolle Chancen! Machen wir Projekte draus!

Dr. Johannes Mainusch, kommitment GmbH

Die äußeren Faktoren im Jahr 2023 sind dreierlei, Anspannung der wirtschaftlichen Lage, mehr Legacy, weniger Fachkräfte. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass nun auch die letzten Unternehmen den Wert der Digitalisierung für die Zukunft ihres Unternehmens erkennen. Dort, wo bislang nur zögerlich in E-Commerce, Cloud oder Erneuerung von Altapplikationen gehandelt wurde, werden trotz Krise Budgets vorhanden sein. Den Ausweg Internationalisierung werden viele Unternehmen gehen. So wird dann auch in den kleineren Städten und in den traditionellen Firmen Englisch als Sprache einkehren und es werden Standorte und Kooperationen zur internationalen Zusammenarbeit geprüft werden.
Diversität wird eine immer größere Rolle spielen – Alter, Nationalität und Geschlecht der Kolleginnen und Kollegen.
Letzteres übrigens hauptsächlich, weil die sogenannten ehemaligen Entwicklungsländer oft bis zu 50 Prozent Frauen in der IT haben und somit Deutschland zum Entwicklungsland machen.

Auswege aus dem Fachkräftemangel:

  • Ausweg 1: Diversität und Internationalität.
  • Ausweg 2: Automatisierung – eine neue Nation wird in Zukunft die der Automaten sein. Das passiert noch nicht 2023, aber 2042 werden die ersten Automaten wählen gehen. ;-) Prost Neujahr!

Prof. Dr. Gerhard Wanner, Hochschule für Technik Stuttgart

Vor dem Hintergrund der massiven Folgen des Klimawandels richten wir inzwischen unser Augenmerk auf alle Bereiche des Lebens, die große Mengen an CO2 erzeugen. Die IT gehört mit dazu, und dort nicht nur Auswüchse wie das umweltschädliche Crypto-Mining. Daher rücken Fragen zur Entwicklung energieeffizienter Anwendungen für alle Beteiligten, vom PO über die Softwarearchitekt:innen bis hin zum Dev Ops-Team, in den Fokus. Es geht dabei um das Austarieren von Energieeffizienz mit anderen Qualitätsanforderungen, daraus abgeleiteten Softwarearchitekturen und die Einführung aussagekräftiger Messverfahren.
Im Bereich der Entwicklung stellen sich Fragen zur Programmiersprache, zu verwendeten Bibliotheken und allgemein zu effizienten Algorithmen und Datenstrukturen. Ein weiteres großes Feld liegt in der Cloud-Nutzung: von der Auswahl des Cloud-Providers bis hin zum optimierten Betrieb in der Cloud. Mein Wunsch für 2023 ist, dass das Thema Energieeffizienz auch in der Breite in der IT ankommt und wir als Softwareentwicklerinnen und -entwickler zu den Nachhaltigkeitszielen beitragen.

Chefredakteur: Christoph Witte

2023 kein gutes Innovationsjahr

Von heute aus gesehen (der Redaktionsschluss für die 1/23 ist Mitte September 22) wird das kommende Jahr – nun ja – herausfordernd. Um nur die wichtigsten zu nennen: Ukraine, Inflation, Wirtschaftskrise, Fachkräftemangel und über allem die fortschreitende Klimakrise, deren Auswirkungen wir immer öfter auch im mitteleuropäischen Alltagsleben zu spüren bekommen. Unternehmen werden von diesen multiplen Krisen betroffen sein, mal mehr und mal weniger. Viele werden ums Überleben kämpfen müssen, aber alle werden ihre Ausgabenpläne überprüfen und sparen. Das produziert kein innovationsfreundliches Klima. Deshalb glaube ich nicht, dass 2023 in puncto IT und Digitalisierung ein besonders innovatives Jahr wird.
Das kommende Jahr wird bis auf einige Ausnahmen geprägt sein von einem sparsamen „weiter so wie bisher“. Außerdem werden Unternehmen versuchen, Technologien und Methoden, die sie in jüngerer Zeit eingeführt haben und die sich bewährt haben, effektiv in den Produktionsbetrieb zu bringen. Vorausgesetzt, das lässt sich ohne zu großen Aufwand bewältigen und bietet einen verlässlich kurzfristigen Return of Investment. Das bedeutet, dass beispielsweise viel Automatisierung im Betrieb und Monitoring gemacht wird, aber wenige KI-Projekte die Phase Proof of Concept verlassen dürften. Eine wichtige Ausnahme wird die Entwicklung der Zusammenarbeit in den Unternehmen sein. Alle Unternehmen haben verinnerlicht, dass Hierarchien in komplexen Zeiten nicht effektiv sind. Der Druck zu sparen, wird dazu führen, dass viele Unternehmen verstärkt bereit sein werden, auf breiter Front mit digitalen Kollaborationsformen zu arbeiten. Damit ist jetzt nicht Homeoffice gemeint, sondern die vielen verschiedenen Möglichkeiten, Mitarbeitenden die Zusammenarbeit digital zu erleichtern und den damit einhergehenden Kontrollverlust in Kauf zu nehmen. Insofern könnte 2023 doch noch ein gutes Jahr werden.

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Uwe Friedrichsen

CTO, Softwerker & Herausgeber IT-Spektrum
Zu Inhalten

Uwe Friedrichsen ist CTO und Softwerker der codecentric AG. Seit der Ausgabe 5/2018 ist er Herausgeber der IT-Fachzeitschrift IT Spektrum, ehemals OBJEKTspektrum.


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