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Ein Domänenmodell des Testens

In dieser Kolumne diskutiert der Autor Themen rund um die Terminologie beim Softwaretesten. Heute geht es um die Schwierigkeit, die vielen Begriffe des Testens im Zusammenhang zu verstehen.

  • 18.07.2019
  • Lesezeit: 5 Minuten
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Ein Junior-Tester hat Anfang Februar folgende Anmerkung an das ISTQB® geschickt: „Die Definitionen und Beziehungen zwischen Testsuite, Testfall, Testablauf, Testskript und dem Test selbst sind zu vage.” Als Verantwortlicher für das ISTQB-Glossar stellte ich mir die Frage: Hat er recht?

Alle diese Begriffe haben ihre Definition im ISTQB-Glossar der Testbegriffe [GTB-a], und wir achten bei ISTQB (International Software Testing Qualifications Board) sehr auf präzise Definitionen. Aber in dieser Anmerkung spielt ein Wörtchen eine große Rolle: „Beziehungen“. Die Beziehungen dieser Begriffe zueinander sind für das Verständnis essenziell. An dieser Stelle rennt der junge Kollege bei mir offene Türen ein. Entitäten und ihre Beziehungen werden beim Studium einer fachlichen Domäne viel klarer, wenn man sie in einem Domänenmodell grafisch darstellt.

Meine Antwort ist ein einfaches UML-Domänenmodell (siehe Abbildung 1) der oben genannten Testbegriffe, auf Basis des Lehrplans zum ISTQB Certified Tester Foundation Level [GTB-b]. Die Swimlanes (Spalten) stellen Aktivitäten im Testentwicklungsprozess dar und die Entitäten in den blauen Rechtecken sind die Arbeitsergebnisse dieser Aktivitäten.

Abb. 1: Domänenmodell des Testens (klassisch)

Beziehungen zwischen den Testbegriffen

Schauen wir uns an, wie das Glossar [GTB-a] die Entitäten dieses Domänenmodells definiert. Die Testbasis ist der Input für den Tester. Sie enthält alle Informationen, die als Basis für die Testanalyse und den Testentwurf verwendet werden können. In der Testanalyse identifizieren wir die Testbedingungen durch eine Analyse der Testbasis. Eine Testbedingung ist ein Aspekt der Testbasis, der für die Erreichung bestimmter Testziele relevant ist.

Im Testentwurf leiten wir Testfälle aus den Testbedingungen ab und spezifizieren diese Testfälle. Ein Testfall ist eine Menge von Vorbedingungen, Eingaben, Aktionen (falls anwendbar), erwarteten Ergebnissen undNachbedingungen, welche auf Basis von Testbedingungen entwickelt wurden.

Weiter geht es mit der Testrealisierung, in der wir die Testmittel vorbereiten, die zur Testdurchführung benötigt werden. Dazu gehören unter anderen Testabläufe und automatische Testskripte. Ein Testablauf ist eine Folge von Testfällen in der Reihenfolge ihrer Durchführung, mit allen erforderlichen Aktionen zur Herstellung der Vorbedingungen und zum Aufräumen nach der Durchführung. Sehr eng damit verwandt ist das Testskript: eine Abfolge von Anweisungen für die Durchführung eines Tests.

Schließlich erstellen wir Testsuiten: Mengen von Testfällen oder Testabläufen, welche in einem bestimmten Testzyklus ausgeführt werden sollen. Der dazugehörige Testausführungsplan ist ein Zeitplan für die Ausführung von Testsuiten innerhalb eines Testzyklus.

In der Testdurchführung werden die Tests für eine Komponente oder ein System ausgeführt und Istergebnisse erzeugt. In einem Testlauf werden die Testfälle der Testsuite mit einer bestimmten Version des Testobjekts ausgeführt. Dabei entsteht ein Istergebnis: das im Test beobachtete/erzeugte Verhalten einer Komponente oder eines Systems unter festgelegten Bedingungen.

Die Beziehungen im Domänenmodell ergeben auch die Rückverfolgbarkeit: die Beziehung zwischen dem Istergebnis und der Testbedingung als die Arbeitsergebnisse des Testens.

Ist Ihnen aufgefallen, dass in Abbildung 1 eine Entität des jungen Kollegen fehlt? Richtig, es ist der Test, definiert als eine Menge von einem oder mehreren Testfällen. Hier habe ich den Testablauf dem Test vorgezogen, weil dieser einen expliziten Bezug auf die Ausführung hat.

Standardisierung der Terminologie

In diesem Zusammenhang gesehen erscheinen uns die Entitäten und ihre Beziehungen nicht mehr vage, sondern als eine logische Kette von klar abgegrenzten Arbeitsschritten und -ergebnissen. Ein solches Modell kommt allerdings nicht von allein. In diesem Fall basiert es auf intensiven Diskussionen mit den zuständigen Kollegen im ISTQB, welche auch zu Verbesserungen des ISTQB-Materials in [GTB-a] und [GTB-b] geführt haben. Ein ähnliches Modell haben auch die Autoren des Buches „Basiswissen Softwaretest“ [Spi19] in die neue Auflage aufgenommen.

Eine Herausforderung ist und bleibt die Standardisierung der in der Praxis sehr unterschiedlichen Terminologien. Zum Beispiel wäre eine Einigung auf einen der beiden Begriffe „Testablauf“ und „Testskript“ wünschenswert. Aber über dieses Thema sprechen wir vielleicht ein anderes Mal.

Entwerfen Sie Ihr eigenes Modell

Natürlich ist das nicht das einzig mögliche Domänenmodell. Wenn Sie agil unterwegs sind, könnte Ihnen das Modell des sitzungsbasierten Testens aus Abbildung 2 besser gefallen.

Abb. 2: Ein Domänenmodell des sitzungsbasierten Testens (ohne Multiplizitäten)

Und wenn Sie gewisse Aspekte vertiefen, wie Testautomatisierung oder Testmanagement, wird das Domänenmodell in den jeweiligen Bereichen wesentlich ausführlicher werden. Mein Rat an den jungen Kollegen ist: Ergänzen Sie die Texte im Glossar durch ein passendes Domänenmodell. Dadurch werden Sie Definitionen und deren Beziehungen besser verstehen als durch rein textliche Beschreibungen.

Referenzen

[GTB-a]
ISTQB®/GTB Standardglossar der Testbegriffe, Version 3.2 vom 27.9.2018, siehe:
http://glossar.german-testing-board.info/v3.2/

[GTB-b]
ISTQB®/GTB Lehrplan Certified Tester Foundation Level, Version 2018, siehe:
https://www.german-testing-board.info/wp-content/uploads/2018/09/Lehrplan-Certified-Tester_Foundation-Level_Version2018.pdf

[Spi19]
A. Spillner, T. Linz, Basiswissen Softwaretest – Aus- und Weiterbildung zum Certified Tester – Foundation Level nach ISTQB-Standard, 6., überarbeitete und akt. Auflage, dpunkt.verlag, 2019

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Zu Inhalten
Dr. Matthias Hamburg war bis zu seiner Pensionierung im September 2019 Managing Consultant bei der Sogeti Deutschland GmbH. Im German Testing Board (GTB) engagiert er sich weiterhin ehrenamtlich. Als Leiter der GTB-Arbeitsgruppe Glossar gibt er das ISTQB®/GTB Standardglossar der Testbegriffe heraus. Darüber hinaus leitet er die Glossary Working Group und die Advanced Test Analyst Task Force beim International Software Testing Qualifications Board (ISTQB®).

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