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Ende des IT-Bottleneck

Die neueste Generation von Frontend Tools für BI & Analytics (BIA) bietet sich durch ihre hohe Benutzerfreundlichkeit als fachbereichsgetriebene Self-Service-Tools an. Cloudbasierte Versionen stellen zudem aufgrund kostengünstiger Lizenzmodelle eine vergleichsweise geringe Einstiegshürde dar und versprechen somit eine schnelle und unkomplizierte Umsetzung von Reporting- und Analytics-Lösungen. Trotzdem werden mit der Einführung solcher Tools häufig nur unbefriedigende Ergebnisse für den Fachbereich und die IT erzielt. Für einen echten und nachhaltigen Erfolg sind flankierende organisatorische, architektonische und technische Maßnahmen im Sinne eines umfassenden Transformationsprozesses notwendig.


  • 24.06.2019
  • Lesezeit: 11 Minuten
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Unternehmen stehen vor der organisatorischen Herausforderung, ihre Daten so effizient wie möglich auszuwerten, um bestmögliche Entscheidungen zu treffen, schnellstmöglich auf Änderungen im Markt zu reagieren und die Anforderungen der Kunden mit immer kürzeren Reaktionszeiten erfüllen zu können. Als Konsequenz entwickeln sich BIA-Technologien in unglaublicher Geschwindigkeit und in extrem kurzen Innovationszyklen weiter, um den sich immer schneller ändernden Rahmenbedingungen und Anforderungen der Unternehmen gerecht zu werden.

Die Digitalisierung der letzten Jahrzehnte hat viele administrative Prozesse vereinfacht und teilweise automatisiert, wie zum Beispiel Zahlungsoder Buchhaltungsprozesse, die dem Kauf eines Produkts oder Services folgen. Schon heute gibt es Unternehmen, wie die sogenannten „Digital Giants“ Amazon oder Alibaba, die den Konsumenten Käufe unmittelbar und von überall her ermöglichen und vollständige Informationen direkt zur Verfügung stellen. Es ist zu erwarten, dass diese Art der Digitalisierung immer größere Bereiche der heutigen Wirtschaft erfassen wird. Das wird Unternehmen jedoch vor große Herausforderungen stellen, die sowohl technologischer, organisatorischer als auch systemarchitektonischer Art sind.

Welche Rolle spielt die Cloud für die Digitalisierung?

Ein aktueller Trend im BIA-Umfeld adressiert die technologischen Anforderungen, indem er Neuerungen auf eine möglichst flexible, kosteneffiziente Art und Weise mit sehr geringem initialem Aufwand zur Verfügung stellt: in der Cloud [BAR18].

Mit der Cloud werden Aufwände, die durch die Beschaffung, Bereitstellung und Instandhaltung dieser Technologien anfallen, minimiert beziehungsweise größtenteils in die Verantwortung der Dienstleistungsanbieter übergeben. Der Vorteil im Bereich der schnelllebigen BIA-Tools liegt auf der Hand: Sie werden von den Anbietern auf dem neuesten Stand gehalten. Aufwendige Release-Pläne sowie Downtimes sind damit hinfällig. Mit dem On-Demand-Lizenzmodell entfallen auch die hohen Initialkosten, die bei der Anschaffung eines On-Premise-Systems anfallen können.
Da die Systeme zudem voll funktionsfähig zur Verfügung gestellt werden und kein umfassendes technisches Wissen für eine Installation benötigt wird, bieten sich diese Tools auf den ersten Blick als ideale Do-it-yourself-Reporting- oder -Analytics-Lösungen für den Fachbereich an. Das Verkaufsargument der intuitiven Bedienbarkeit, das von BIA-Anbietern gerne herangezogen wird, befeuert zudem die Idee des von der IT unabhängigen Fachbereichs und somit die Vorstellung der ultimativen Lösung für Kapazitätsengpässe der IT-Abteilung – den IT-Bottleneck.
Der Self-Service-Ansatz birgt ein enormes Potenzial. Durch die Übertragung der Berichts- und Analysenerstellung in die Verantwortung des Fachbereichs wird die IT-Abteilung entlastet und die Zeit für die Erstellung einer Analyse, von der Anforderungsaufnahme bis zur Produktivsetzung, erheblich verkürzt. Zudem hat dies einen positiven Einfluss auf die Qualität und den Reifegrad von Analysen, da Informationen nicht mehr auf das beschränkt werden, was von der IT geliefert wird, sondern direkt von den Experten des Fachbereichs aus den Daten gewonnen werden.

Unbefriedigende Ergebnisse für Fachbereich und IT

In der Realität sieht man sich jedoch häufig mit Ergebnissen von Self-Service-Projekten konfrontiert, die sowohl für den Fachbereich als auch für die IT unbefriedigend sind. Dies lässt sich auf unterschiedliche Probleme zurückführen, die häufig bereits bei der Beschaffung eines geeigneten Tools beginnen. Die oben bereits angesprochenen Aspekte von Self-Service-Tools, wie die geringen Einstiegshürden, eine intuitive Bedienbarkeit und die Hoffnung auf mehr Flexibilität und Autonomie, verführen Entscheider auf Seiten des Fachbereichs oft zu Schnellschüssen. Neben der Tatsache, dass bei übereilten Entscheidungen wichtige Aspekte des Self-Service-Ansatzes außen vor gelassen werden, wird zudem auch häufig die IT im Entscheidungsprozess komplett übergangen [Mei18].
Entgegen der Idee des Self-Service-Ansatzes entfernen sich IT und Fachbereich voneinander, anstatt enger zusammenzuarbeiten. Dies kann nicht nur in einer verpassten Gelegenheit zur Verbesserung der Zusammenarbeit resultieren, sondern im schlimmsten Fall sogar Befürchtungen eines Kontrollverlustes schüren und zu möglichen Ängsten vor dem Verlust der Existenzberechtigung beitragen. Daraus können sich eine abwehrende Haltung gegenüber der IT sowie Machtkämpfe mit dem Fachbereich ergeben.
Generell beschränken sich Unternehmen bei der Wahl des für sie besten BIA-Self-Service-Tools häufig auf die Technologie und starten deshalb früh eine Tool-Evaluation. Das Resultat ist zumeist ernüchternd. Auf diese Weise erhält man zwar ein neues Self-Service-fähiges BIA-Tool, aber der Fachbereich kann damit häufig – bis auf ein paar Excel-Files – nur wenige Datenquellen tatsächlich für sich erschließen.
Zudem fehlen den Nutzern zu Beginn meist vertiefte Tool-Kenntnisse und oft auch die Zeit, sich damit neben dem Tagesgeschäft intensiv auseinanderzusetzen. Auch hat nicht jeder Nutzer das gleiche Verständnis von BIA-Self-Service. Während das Controlling oft mit relativ einfachen Ad-hocund Slice-and-Dice-Funktionalitäten zufrieden ist, möchte das Marketing auch eigene Datenquellen für das Kampagnenmanagement erschließen und mit komplexeren Analytics-Funktionalitäten Fragen beantworten, die auch die Zukunft betreffen.

Mehrdimensionalität von BIA- Self-Service in der Cloud

Es ist sinnvoll, sich zunächst darüber klar zu werden, was im Unternehmen und den einzelnen Fachbereichen überhaupt unter BIA-Self-Service verstanden wird [BAR18]. Um den aktuellen Stand festzustellen und festzulegen, wohin die Reise gehen soll, hat sich insbesondere das Reifegrad-Modell der TDWI (Analytics Maturity Model von 2017) bewährt. Neben der Technologie betrachtet dieses auch weitere Dimensionen wie die Organisation und die Architektur. Es erlaubt einerseits eine Standortbestimmung und andererseits eine Identifizierung notwendiger Maßnahmen in mehreren Dimensionen, um die definierten Ziele auch wirklich zu erreichen. Das TDWI Reifegrad-Modell geht originär von insgesamt fünf Dimensionen (Organisation, Datenmanagement, Analytics, Governance und Technologie) aus. Im vorliegenden Artikel werden diese als „3-D-Ansatz“ in den drei Dimensionen Organisation, Architektur und Technologie zusammengefasst (vgl. Abbildung 1).

Abb. 1: 3-D-Ansatz

Organisation im 3-D-Ansatz

BIA-Self-Service hat zwar das Potenzial, den viel zitierten „IT-Bottleneck“ durch eine neue Arbeitsteilung zwischen IT-Mitarbeitern und Fachbereich aufzulösen, dafür müssen sich jedoch auch die Aufgabenteilung und die Verantwortlichkeiten zwischen den beiden Abteilungen zwingend ändern. Diese Anpassungen können auf der Fachbereichsseite zu einem Gefühl der Überforderung führen, verursacht durch die zusätzliche Arbeitsbelastung sowie die erforderliche Aneignung des notwendigen Know-hows und der Datenarchitektur. Auf Seiten der IT ist durch die Veränderungen mit Ängsten und daher mit Widerständen zu rechnen.
Mit organisatorischen Maßnahmen zur Entlastung des Fachbereichs kann diesen Risiken aktiv begegnet werden, indem zusätzliche Stellen geschaffen werden oder aber durch initiale und auch kontinuierlich durchgeführte Ausbildungsmaßnahmen. Neue Verantwortlichkeiten bedingen darüber hinaus auch neue Service Level Agreements zwischen IT und Fachbereich.
Durch BIA-Self-Service, insbesondere in der Cloud, werden außerdem verschiedene Governance-Aspekte tangiert, die entsprechend neu geregelt werden müssen. Sicherheitsrichtlinien sollten bezüglich cloudspezifischer Themen angepasst und Mitarbeiter dahingehend geschult werden. Obwohl dieser Aspekt sehr wichtig ist, wird die Datenhaltung in der Cloud häufig zu skeptisch gesehen, was zu unnötigen Einschränkungen für Unternehmen und deren Entscheidungsprozesse führen kann. Die meisten Cloud-Anbieter bieten einen Schutz, der sogar noch effektiver ist als in traditionellen Datenzentren [Gar17]. Ein weiterer zu beachtender Governance-Aspekt ist die Data Ownership sowie die diesbezüglichen Regulatoren, die für die Datenhaltung in der Cloud durch übergeordnete Stellen in oder außerhalb des Unternehmens, beispielsweise durch die Finanzmarktaufsicht, vorgegeben werden.
Im Sinne einer Effektivitäts- und Effizienzsteigerung durch BIA-Self-Service in der Cloud ist man gut beraten, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Sicherheit, Datenqualität und Regulatoren auf der einen Seite und der notwendigen Freiheit und Flexibilität zur selbstständigen Datenvorbereitung, Exploration und Visualisierung auf der anderen Seite anzustreben. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die Einführung von BIA-Self-Service als wichtiges strategisches Ziel durch das Management gestützt und die Umsetzung der dafür erforderlichen mehrdimensionalen Maßnahmen mit einem entsprechenden Budget ermöglicht werden sollte.

Architektur im 3-D-Ansatz

Neben Aspekten der Organisation und der Governance bestimmt insbesondere die Architektur, ob ein Unternehmen in der Lage ist, einen bestimmten Grad an BIA-Self-Service in der Cloud zu ermöglichen beziehungsweise zu realisieren. Es hat sich als zielführend herausgestellt, zunächst eine logische Sicht auf die Zielarchitektur mit funktionalen und nichtfunktionalen Komponenten zu definieren. Damit kann ein gemeinsames Verständnis der Anforderungen zwischen der IT und dem Fachbereich definiert und ein gemeinsames Ziel spezifiziert werden.
Am Markt existiert eine Vielzahl logischer Referenzarchitekturen, die dafür als Grundlage dienen können. Ein branchenneutrales Beispiel für ein Framework, das sich in der Praxis bewährt hat, ist in Abbildung 2 dargestellt. Die Grafik zeigt auf der linken Seite ein klassisches Schichtenmodell entlang dem Datenfluss von den Quellsystemen nach oben bis hin zur Datennutzungs- und Visualisierungsschicht, die zusammen mit der Datenvorbereitungsschicht die BIA-Self-Service-Funktionalitäten repräsentiert.

Abb. 2: Referenzarchitektur-Framework für BI & Analytics Self-Service

Wichtig aus Self-Service-Sicht ist insbesondere die „Datenvorbereitungsschicht“, die es Fachbereich und IT erlaubt, ein gemeinsames Verständnis für den Umfang des Self-Service zu definieren. Ein Beispiel: Versteht der Fachbereich unter BIA-Self-Service primär Ad-hoc-Reporting oder will er in Zukunft auch gewisse Datenvorbereitungs-Funktionalitäten wie Data Exploration oder sogar eine eigene Datenintegrations-Funktionalität zur Verfügung gestellt bekommen? Je nachdem braucht es sowohl eine andere (System-)Architektur als auch eine entsprechend andere Arbeitsteilung und Verantwortungszuständigkeit zwischen IT und Fachbereich.
Die rechte Seite zählt exemplarisch wichtige Aspekte des Bereichs Datenmanagement und des davon abhängigen, nichtfunktionalen Bereichs Organisation und Prozesse auf. Diese wie auch der Rest der logischen Referenzarchitektur können ergänzt oder unternehmensspezifisch auf die jeweilige Situation angepasst werden.
Basierend auf dieser logischen Sicht kann die aktuelle Situation mit der gewünschten Zielsituation abgeglichen werden, um zu prüfen, inwiefern sich vorhandene technische Komponenten für die Zielarchitektur eignen. In der Praxis werden hierbei meist Lücken technischer oder organisatorischer Art identifiziert beziehungsweise Komponenten, die sich mit der Zielarchitektur nicht vereinbaren lassen. Aus diesen Erkenntnissen ergeben sich wiederum Maßnahmen technischer sowie organisatorischer Art, um sich der Zielarchitektur und somit dem gewünschten Grad an Self-Service anzunähern.

Technologie im 3-D-Ansatz

Bei der Einführung von cloudbasiertem BIA-Self-Service fallen meist nur geringe Aufwände an. Genauer zu betrachten ist jedoch das Fundament, auf dem solche Tools aufsetzen. Entgegen der Meinung, die Einführung eines Self-Service-Tools der neuesten Generation löse alle bisherigen Probleme, sind grundlegende Konzepte aus dem BIA-Umfeld nicht plötzlich überflüssig. Auch diese Tools benötigen konsumierbare Daten in einer entsprechenden Qualität, um dem Anwender schlüssige, vergleichbare und interpretierbare Analysen zu ermöglichen.

Die Datenaufbereitung kann entweder direkt in den Self-Service-Tools oder aber in der Datenquelle vorgenommen werden. Diese Entscheidung hängt zum einen davon ab, ob eine Replikation der Daten in das cloudbasierte BIA-Self-Service-Tool stattfindet oder die Daten per Direktzugriff aus darunterliegenden Systemen wie zum Beispiel Data-Warehouse-Systemen, Data Hubs, transaktionalen Quellsystemen oder Data Lakes referenziert werden sollen. Die Komplexität der abzubildenden Logik hat einen direkten Einfluss auf diese Entscheidung, da die Möglichkeiten der BIA-Self-Service-Tools zur Datenaufbereitung und -vorbereitung heute noch bescheiden oder zum Teil gar nicht vorhanden sind.
BIA-Self-Service-Tools in der Cloud sind kein Ersatz für ein Data Warehouse. Sie bieten lediglich eine sehr flexible Methode, Daten aus verschiedensten Datenquellen wie beispielsweise einem Data Warehouse zu interpretieren. Somit müssen auch in Zukunft verschiedene Datenquellen miteinander kombiniert und harmonisiert und eine ausreichende Datenqualität sichergestellt werden.

Fazit

Aktuelle Anforderungen aus der Wirtschaft an die BIA-Technologie und die daraus resultierende Geschwindigkeit, mit der neue Funktionalitäten und Innovationen entwickelt werden, sprechen eindeutig für cloudbasierte BIA-Tools. Für eine erfolgreiche Einführung sind aber flankierende organisatorische, architektonische und technische Maßnahmen im Sinne eines umfassenden Transformationsprozesses notwendig. Die Erfahrung zeigt, dass eine erfolgreiche Transformation von einer IT-getriebenen BI- und Analytics-Nutzung hin zu einer fachbereichsgetriebenen Self-Service-Nutzung aufgrund der mehrdimensionalen Problematik und der daraus entstehenden hohen Komplexität am besten mit einem entsprechenden Change-Management-Prozess begleitet wird.

Literatur

[BAR18]
Business Application Research Center (BARC GmbH): Self-Service BI: An Overview.
https://bi-survey.com/self-service-bi, abgerufen am 20.5.2019

[Gar17]
Gartner: Cloud Strategy Leadership. 2017,
http://www.gartner.com/imagesrv/books/cloud/cloud_strategy_leadership.pdf,abgerufen am 20.5.2019

[Mei18]
Meinardi, M.: Neutralizing Shadow IT with Public Cloud Self-Service Governance. Gartner, August 2018,
https://blogs.gartner.com/marco-meinardi/2018/08/08/neutralizing-shadow-it-with-public-cloud-self-servicegovernance/, abgerufen am 20.5.2019

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Zu Inhalten
Ulrich Gantenbein verantwortet bei Q_PERIOR Schweiz die Business Line BI & Analytics. Sein Themenschwerpunkt liegt in der Entwicklung moderner BI- und Analytics-Architekturen, insbesondere mit dem Ziel, datengetriebene Organisationen zu ermöglichen. Er ist seit mehr als 20 Jahren als BI- und Analytics-Berater national und international unterwegs.
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Patrick Schäfer ist Senior Consultant im Bereich Business Intelligence bei Q_PERIOR. Seine Themenschwerpunkte liegen im Bereich BI-Frontend und Self-Service.

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