Das Wissensportal für IT-Professionals. Entdecke die Tiefe und Breite unseres IT-Contents in exklusiven Themenchannels und Magazinmarken.

SIGS DATACOM GmbH

Lindlaustraße 2c, 53842 Troisdorf

Tel: +49 (0)2241/2341-100

kundenservice@sigs-datacom.de

Gelebte Agilität für Berufseinsteiger

Wie sich mittelständische IT-Unternehmen organisieren und warum diese Strukturen ideale Bedingungen für „Young Professionals“ schaffen können.

  • 25.09.2020
  • Lesezeit: 7 Minuten
  • 89 Views

Arbeitsplatzsicherheit, eigenständiges Arbeiten und eine herausfordernde Tätigkeit – drei von fünf Top-Treibern der Mitarbeitergewinnung (Tower Watson 2012) sprechen für mittelständische IT-Unternehmen bei der Arbeitgeberwahl. Natürlich sind auch das Grundgehalt sowie ein bequem zu erreichender Arbeitsort wichtig.

Obwohl also sehr gute Bedingungen für den Berufseinstieg gegeben sind, kämpft der IT-Mittelstand im „War for Talents“ gleich an mehreren Fronten: Laut einer von KfW Research im Februar 2020 veröffentlichten Studie kann ein Drittel der kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) seinen Bedarf an Digitalkompetenzen mit den vorhandenen Beschäftigen nicht decken. 24 Prozent der KMU haben sogar einen großen Bedarf an fortgeschrittenen Digitalkompetenzen wie etwa Programmieren. (Leifels, Arne 2020)

Dies betrifft vor allem den IT-Mittelstand. Erschwerend kommt hinzu: Im Schatten der starken Arbeitgebermarken der Großkonzerne bleiben IT-Mittelständler am Arbeitsmarkt oft unbeachtet. Doch vor allem für Berufseinsteiger lohnt es sich, genauer hinzusehen. IT-Mittelständler zeichnen sich häufig durch moderne Formen der agilen Zusammenarbeit sowie flexible Strukturen aus. Warum und wie Young Professionals davon profitieren können, wird im Folgenden am Beispiel der Entwicklungsabteilung des Software-Herstellers InLoox beschrieben.

Agile Zusammenarbeit basierend auf Scrum

Als erfolgsträchtig für ein mittelständisches Unternehmen hat sich gezeigt, dass sich die IT-Abteilung komplett agil mithilfe des Scrum-Frameworks nach Ken Schwaber und Jeff Sutherland organisiert.

Eine Besonderheit kleiner, agiler Teams liegt beispielsweise darin, dass jede Rolle produktiv an der Software mitentwickelt. Die Zusammenarbeit basiert hier auf zweiwöchigen Sprints. Dabei wird viel Wert auf die Backlog-Planung gelegt, um einen nachhaltigen Entwicklungs-Flow zu ermöglichen.

Das heißt: Backlog-Items werden ausführlich spezifiziert – und das komplette Scrum-Team wird in die Produktentscheidungen miteinbezogen. Auf diese Weise können sich die Entwickler während eines Sprints ganz auf die Entwicklungsarbeit konzentrieren. Neu gewonnene Erkenntnisse werden in der nächsten Iteration direkt umgesetzt. Ziel dieses iterativen Vorgehens ist es, sich ständig weiterzuentwickeln und zu verbessern.

Young Professionals werden hierbei als Einsteiger in kleineren Organisationen rascher gefordert, wohingegen sie in größeren Betrieben zunächst oftmals nur zum Zuschauen verdammt sind. Sie werden direkt als vollwertiges Teammitglied eingebunden und übernehmen sehr viel schneller eigene Aufgaben und Verantwortung.

Abb. 01: Das Vorgehen mit der Projekt- und Produktmanagement-Methode Scrum bei der agilen Softwareentwicklung.

Dadurch fühlen sich (und werden) neue Mitarbeiter von Beginn an wertgeschätzt und entwickeln schon nach kurzer Zeit ein Zugehörigkeitsgefühl sowohl zum Team als auch zum Unternehmen. Aufgrund der iterativen Vorgehensweise können sie nach wenigen Wochen bereits Erfolgserlebnisse erzielen und ihren Beitrag am stetigen Fortschritt erkennen. Sie sind auch direkt in Produktentscheidungen eingebunden, die im Konsens getroffen werden. So lassen sich für neue Teammitglieder die Ziele und Strategien hinter ihrer Arbeit besser nachvollziehen.

Teamorientierte Arbeitsweise verteilt Verantwortung und Know-how

Die Verantwortung für den Quellcode, die Code-Reviews und die Qualität wird auf das gesamte Team verteilt. Auch wenn beispielsweise für die Code-Reviews das Vier-Augen-Prinzip gilt und hierfür eine Gruppe von langjährigen Mitarbeitern zuständig ist, so werden dennoch alle Entwickler dazu eingeladen.

Auf diese Weise lassen sich Fachwissen und Know-how weitergeben sowie alle Teammitglieder vollständig in den Entwicklungsprozess involvieren. Auch neue Vorgehensweisen und Ideen werden im gesamten Team besprochen, diskutiert und im Konsens entschieden; zum Beispiel die Dauer eines Sprints oder neue Produktfeatures. Um darüber hinaus Raum für Innovation zu schaffen, finden je nach Bedarf etwa einmal im Monat sogenannte Tech-Talks statt.

In dem Maße, wie die Berufsanfänger durch das gesamte Team eingearbeitet werden, vervielfachen sie ihre Berührungspunkte zu unterschiedlichen Personen sowie die Chancen, ihr Know-how zu erweitern und zu vertiefen. Sie lernen nicht nur die Kollegen und Kolleginnen sowie deren Aufgabenschwerpunkte besser kennen, sondern wissen auch, wer bei einem bestimmten Problem helfen kann.

Abb. 02: Peer-Mentoring mit verschiedenen Mentoren/Paten im Unternehmen

Im Zuge des Peer-Mentoring mit verschiedenen Mentoren/ Paten gewinnen Berufseinsteiger in kurzer Zeit tiefe Einblicke in das gesamte Aufgabenspektrum der Abteilung. Indem sie viele verschiedene Themen und Disziplinen kennenlernen, können sie breites Fachwissen rascher aufbauen. Zudem finden Young Professionals sehr schnell heraus, welche Domänen sie besonders interessieren – sei es Cloud-Infrastrukturen, mobile Apps oder Desktopanwendungen.

Nähe zu Management und Kunden

Beispielsweise geht bei InLoox die Weiterentwicklung der Produktvision mit der tatsächlichen Entwicklungsarbeit nahtlos einher, zumal die Geschäftsleitung Teil des Scrum-Teams ist.

In Unternehmen, in denen die Führungsebene das Bewusstsein und Verständnis für den Entwicklungsprozess sowie die Komplexität der Anforderungen aufweist, sind Entwicklungsteams generell effizienter, schneller und handlungsfähiger. Denn dadurch müssen Verbesserungen, neue Tools oder Experimente mit neuen Ansätzen vom Team nicht hart erkämpft werden. Und wenn die Entwickler nicht nur im regelmäßigen Austausch mit der Führungsebene, sondern auch mit den Endanwendern stehen, dann profitiert auch der Entwicklungsprozess. Dank des direkten Bezugs zu Kunden lassen sich Programmierziele sowie deren Herkunft einfacher nachvollziehen.

Flache Hierarchien und der persönliche Aspekt in kleineren Unternehmen sorgen dafür, dass Berufseinsteiger sich und ihre Ideen von Anfang an einbringen können. Darüber hinaus sind auch neue Teammitglieder bei Produktentscheidungen und Change-Prozessen von der Idee über die Entscheidung bis hin zur Umsetzung mit dabei.

Abb. 03: Teil des InLoox Teams beim InLoox Insider Tag 2019 in Berlin

Dadurch erhalten Young Professionals einen umfassenden Einblick in unternehmerische Prozesse und die gesamte Wertschöpfungskette der Softwarebranche. Sie lernen außerdem, ohne Scheu unbekannte Themen anzugehen. Dies kann vom Einsatz neuer Tools bis hin zu erweiterten Aufgaben etwa im Support oder Beiträgen für Kunden-Events reichen. So unterstützt der kurze Weg zwischen Entwickler und Endanwender die Young Professionals darin, ein umfassendes Zielverständnis aufzubauen. Außerdem erlernen sie den Umgang mit Kunden und erhalten direktes Feedback und Wertschätzung vom Nutzer.

Weitere Informationen

Brocke P.S., Brüschke G.V., Ogawa-Müller Y., Gaede I. (2017): Mentoring-Formate: Peer- und Gruppen-Mentoring. In: Petersen R., Budde M., Brocke P., Doebert G., Rudack H., Wolf H. (eds) Praxishandbuch Mentoring in der Wissenschaft. Springer VS, Wiesbaden, Seite 91-92
https://link.springer.com/chapter/10.1007%2F978-3-658-14268-1_9

Leifels, A. (2020): Mangel an Digitalkompetenzen bremst Digitalisierung des Mittelstands – Ausweg Weiterbildung? in: KfW Research. Fokus Volkswirtschaft. Nr. 277, 4. Februar 2020.

Scrum Framework: Quelle: scrum.org

https://s3.amazonaws.com/scrumorg-website-prod/drupal/2016-06/ScrumFramework_17x11.pdf

Towers Watson (2012): Global Workforce Study. Geld, Karriere, Sicherheit? Was Mitarbeiter motiviert und in ihrem Unternehmen hält.
https://www.hrm.de/fachartikel/towers-watson-global-workforce-study-2012:-deutsche-mitarbeiter-zählen-zu-den-engagiertesten-in-europa

. . .

Author Image
Zu Inhalten
Dr. Andreas Tremel ist Geschäftsführer der Münchner InLoox GmbH. Er verantwortet in dem auf Projektmanagement- Lösungen spezialisierten Softwarehaus neben dem Produktmanagement und der Strategieentwicklung auch die Marketing- und Vertriebsaktivitäten. Er gründete die Firma 1999 zusammen mit Dr. Tiziano Panico und verfügt über umfangreiche Erfahrungen in der Softwareentwicklung.

Artikel teilen