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Hybride Arbeitsmodelle

Egal wohin man schaut: Überall in der Arbeitswelt begegnet man mittlerweile den Begriffen „Homeoffice“ oder „Remote Working“. Ein Trend oder gekommen, um zu bleiben? Manch einer mag davon genervt sein – doch an der Notwendigkeit ändert es nichts.


  • 23.09.2022
  • Lesezeit: 8 Minuten
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Mitarbeiter und Bewerber fordern es aktiv ein. Remote Working ist kein Trend – Remote Working ist ein Muss! Und dennoch darf eines nicht abhandenkommen – die soziale Interaktion. Wir haben unterschiedliche Voraussetzungen, Motivationen und einen je nach Generation anderen Blick darauf, wie Arbeit künftig gestaltet sein soll. Doch eines ist gemeinsam: Jeder von uns muss Verantwortung übernehmen, dass es funktioniert.

Retrospektive – sinnstiftendes Arbeiten als Antrieb fürs Homeoffice

Die Pandemie hat uns, wie alle anderen auch, ins Homeoffice verbannt. Dass die Umstellung auf Remote Working problemlos war, lag an der bei uns bereits vorhanden IT-Infrastruktur. Nagarro hat schon immer Arbeitsweisen praktiziert, die es uns ermöglichen, in verteilten Teams rund um den Globus zu arbeiten. Ein agiles und flaches Organisationsdesign ermöglicht diese Art von dezentraler und verteilter Arbeitsweise und befähigt die Mitarbeiter zur Eigenverantwortung.
Doch der Wechsel in den kompletten Remote-Modus während des Lockdowns hat uns auch gezeigt, dass Übermotivation und Erschöpfung, Produktivität und Augenflimmern sehr nahe beieinander liegen. Klar, auf der einen Seite sind Menschen froh, dass sie sich lange Anfahrtswege ins Büro ersparen, schätzen die Flexibilität und bessere individuelle Work-Life-Balance. Doch auf der anderen Seite wurde der soziale Aspekt der Arbeit immer deutlicher.
Für viele von uns war das Büro nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern auch ein Ort zahlreicher sozialer Interaktionen, sodass sich der Verlust dieser Facette des Arbeitslebens durchaus negativ auf das psychische Wohlbefinden auswirken konnte. Um dieses Defizit an Zwischenmenschlichem abzufedern, waren unsere agilen Strukturen, unser „People-Partner“-Modell und nicht zuletzt das Mindset unseres Teams der geeignete Schlüssel.
„Agile“ ist eine Methodik aus der Softwareentwicklung, um schneller, interaktiver Projekte zu entwickeln. Die Grundideen der agilen Arbeitsweise sind bei uns in der Gesamtorganisation fest verankert. Diese Verkürzung der Wege, sowohl im geografischen als auch im organisatorischen Sinne, funktioniert nur, wenn man den Leuten selbstbestimmtes und sinnstiftendes Arbeiten ermöglicht.
Das heißt: Der Einzelne besitzt ein hohes Maß an Freiheit. Der persönliche Beitrag kann nach eigenem Interesse gestaltet werden, ist global, vernetzt und flexibel. Statt Führung und Präsenz, hierarchische Kontrolle und in Stein gemeißelte Jobfunktionen wird an sogenannten Leuchtturmzielen im Team gearbeitet. Deshalb arbeiten die Mitarbeiter innerhalb grob vorgegebener Rahmenbedingungen zusammen – und können sich flexibel in Projekte einbringen. So kommt es, dass Marketingexperten in Innovationsfragen oder Techniker in Marketingprojekte involviert sind.

„People-Partner“ fördern die Weiterentwicklung

Die persönliche Weiterentwicklung und Betreuung werden von „People-Partnern“ begleitet. Diese People-Partner sind bei uns im HR-Bereich angesiedelt. Abgeleitet von Dave Ulrichs HR-Business-Partner-Modell sind sie die direkten Ansprechpersonen für die ihnen zugeordneten Mitarbeiter. Jeder People-Partner betreut ca. 50 Experten – angefangen vom Recruiting über das Onboarding bis hin zur laufenden Betreuung rund um HR-Themen. People-Partner helfen bei der Entwicklung der individuellen Karrierepfade und fördern aktiv die dazugehörigen Experten-Communities.
In unserer Belegschaft hat sich durch unser flaches Organisationsdesign und die agilen Strukturen ein Mindset entwickelt, das auf gegenseitigem Vertrauen basiert. Dies zeigte sich auch während des Lockdowns sehr deutlich. Mitarbeiter organisierten virtuelle Sportaktivitäten, Koch-Entertainment, hin und wieder ein Pubquiz und andere Events, um soziale Interaktionen auch außerhalb des Arbeitsalltags aufrecht zu halten.
Klar ist aber auch: Persönliche Begegnungen haben eine andere Qualität als der virtuelle Austausch. Und dies ist definitiv auf den Arbeitsalltag übertragbar. Echtes Erleben, Körpersprache, Körperkontakt, Sinneseindrücke, aktives Einbringen aus Eigenregie oder auch Off-Record-Informationen aus Small-Talks – all dies sind echte Mehrwerte.
Vor allem neue Teammitglieder und junge Menschen, die ihre ersten Schritte im Arbeitsleben setzen, tun sich schwer, in Online-Meetings herauszufinden, wie abseits der Meetings im Alltag miteinander umgegangen wird oder welcher Dresscode im Unternehmen gilt. Es fehlt schlichtweg die Möglichkeit, von anderen zu lernen und sich an ihnen zu orientieren. Was bleibt, ist ein sehr einseitiges Bild, das viele Dimensionen des persönlichen Erlebens ausklammert. Virtuell entsteht oft der Eindruck, dass eine digitale Maske aufgesetzt wird, die nur einen sehr kleinen und kontrollierten Ausschnitt einer Persönlichkeit preisgibt.
Persönliches Aufeinandertreffen fördert Vertrauen. Nonverbale Kommunikation, Gerüche, Blickkontakt: All das hilft, sein Gegenüber noch besser kennenzulernen und gegenseitiges Vertrauen herzustellen. Und dieses Vertrauen zu anderen Personen hilft uns, persönliche Informationen zu teilen, sensible Daten zu klären oder Gefälligkeiten auszutauschen. Auch Konflikte kommen in der direkten Begegnung ehrlicher auf den Tisch.

Die Jungen wollen kein Arbeitskorsett

Werden wir trotzdem zur früheren Normalität zurückkehren? Gesehen hat man jedenfalls, dass die Menschen auch von zu Hause effizient arbeiten können. Für die neue Generation am Arbeitsmarkt wird das eine Grundvoraussetzung sein. Sie pfeift auf das traditionelle Arbeitskorsett, um es salopp auszudrücken. Während Generation X noch die Karriere im Fokus hatte, es erstrebenswert fand, in die Chefetage zu kommen, Verantwortung zu übernehmen, will die nächste Generation Sinn, Freiheit und eine gute Work-Life-Balance.

Abb. 01: Das Büro, ein Ort zahlreicher sozialer Interaktionen

Hier merken wir deutlich, dass in den letzten Jahren ein Generationensprung stattgefunden hat. Als IT- und Innovationsunternehmen sind wir laufend im Gespräch mit Menschen, die ihr Talent abseits eingetretener Karrierepfade entwickeln, die coole Projekte und Innovationen suchen, die digitale Nomaden und auch im übertragenen Sinne Reisende sind. Flexibilität, Freiheit und Weiterentwicklung zählen zu den Top-Kriterien für ihre Jobwahl. Wer einmal ein Vorstellungsgespräch mit einem talentierten, über den Tellerrand hinausdenkenden Technik-Freak geführt hat, weiß: Diese Person ist nicht mit einem hübschen Büro-Arbeitsplatz einzufangen. Diese Person wird ihre Ideen dann kreieren, wenn es gerade passt, sie will sich ausprobieren, wahrscheinlich schon in einem Jahr den nächsten Schritt machen.
Die Erfahrungen der letzten Monate befeuern diese Entwicklung, denn schließlich wurde der Beweis erbracht, dass viele Veränderungen funktionieren. Wir stehen also vor der Herausforderung, ein gegenseitiges Verständnis und eine neue Wertesymbiose zwischen den Generationen herzustellen.

Digital oder vor Ort? Ringen um die Zukunft

Gemeinsam müssen wir herausfinden, wie viel Freiraum möglich und sinnvoll ist, ohne einen Zustand der Führungslosigkeit, der Beliebigkeit entstehen zu lassen. Im Ring stehen: junge, fremdsprachenversierte, selbstbestimmte „Digital Natives“. Manager und Unternehmer, die ihre Mitarbeiter so bald wie möglich wieder vor Ort präsent haben wollen. Kunden, die sich persönliche Betreuer wünschen, die ihre Sprache sprechen, die aber eingestehen müssen, dass es zu wenige Experten vor Ort gibt und rein technisch vieles auch remote funktioniert.
Auch im HR-Bereich war ich übrigens erstaunt, wie gut wir etwa Interviews mit Bewerbern online führen konnten. Wir ziehen in Erwägung, Bewerber, die weiter weg wohnen, auch künftig remote durch die Erstinterviews zu führen. Trotzdem würde ich niemanden einstellen, ohne wenigstens eine persönliche Begegnung gehabt zu haben.
Ähnlich ist meine Meinung in Weiterbildungsfragen. Zahlreiche Webinare und Online-Kurse haben wir einwandfrei im Remote-Learning durchgeführt. Da entsteht rasch der Eindruck, man könne Erfahrung auch im Eiltempo sammeln. Das sehe ich anders. Erfahrung braucht Zeit und Präsenz, muss persönlich, live und im direkten Feedback reifen. Und so werden wir noch länger um einen Mittelweg ringen. Solange, bis der nächste Schritt ansteht, weil die Experten-Engpässe zu groß werden, unvorhersehbare Situationen eintreten oder die Zeit aus anderen Gründen reif ist.

Abb. 02: Nebenbei werden in der gemeinsamen Begegnungszone im Büro auch die unverzichtbaren beruflich-sozialen Kontakte gepflegt.

War Homeoffice erst der Anfang?

Meine persönliche Conclusio daraus ist, dass wir mit unseren Laptops, egal von wo aus wir arbeiten, sehr wohl produktiv sein können. Bei der Arbeit geht es heutzutage allerdings nicht nur für Unternehmen, sondern auch für die Beschäftigen um wesentlich mehr, als nur performance-getriebene Ziele für das Unternehmen zu erreichen. Das klassische Mitarbeitergespräch, in dem es darum geht, mehr oder weniger messbare Ziele zu vereinbaren, hat längst ausgedient. Wichtig für die Zukunft wird sein, den sozialen Aspekt mit in die Verantwortung der Mitarbeiter zu legen.
Richtig ist es wie bei jeder guten Strategie, auf ein ausgewogenes Verhältnis hinzuarbeiten. Remote Working bedeutet daher nicht unbedingt den Untergang der Büros. Sicherlich werden jedoch in Zukunft selbstbestimmte hybride Modelle aus Büro- und Remote-Arbeit immer häufiger anzutreffen sein – in Verbindung mit einem bestimmten Prozentsatz der Belegschaft, der zwingend aus der Ferne arbeitet.

Das Büro neu definieren

Ich stelle mir vor, dass wir mehr und mehr zu Hause arbeiten und im Büro unsere beruflich-sozialen Kontakte pflegen werden. Diese Umkehr wird dazu führen, dass wir „Büro“ neu definieren. Wie sollte es gestaltet sein, um die Zusammenarbeit und das Engagement zu fördern? Um die Ausrichtung der Organisation voranzutreiben, ist eine Verlagerung von der vom Hauptsitz gesteuerten Kultur hin zur Förderung der Kultur durch digitale Ressourcen und Eigenschaften sowie durch virtuelle Interaktionen erforderlich.
Die Veränderungen der letzten Monate sind so einschneidend, dass es kein Zurück mehr gibt. Wir müssen den Wandel annehmen, die Vorteile dieses Hybrid-Modells nutzen und Organisationsstrukturen und -kulturen aufbauen, um die kommenden Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen.
Nur die Kombination aus „work from anywhere“ und „faceto-face“ wird Unternehmen langfristig erfolgreich, Mitarbeitende glücklicher machen und sinnstiftende Arbeit gepaart mit sozialer Verantwortung gewährleisten.

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Zu Inhalten
Iris-Sabine Bergmann ist als HR-Lead bei Nagarro, einem global agierenden IT- und Consulting-Unternehmen, für den Bereich HR in Österreich verantwortlich und arbeitet als ICAgile zertifizierter Professional Agile Coach sowie als Coach nach Milton Erickson. Mit mehr als 15 Jahren Erfahrung aus verschiedenen HR-Funktionen in der Finanzdienstleistungs- und Beratungsbranche hat sie organisatorische Veränderungsprojekte in mehreren Unternehmen vorangetrieben.

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