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IT im Schnelldurchlauf? Bootcamps als Qualifizierungsmaßnahmen

Der Mangel an qualifizierten IT-Fachkräften ist weiterhin groß. Neben klassischen Einstiegen über Studium oder Ausbildung etablieren sich Bootcamps zunehmend mehr in der Ausbildungslandschaft. Diese Programme versprechen einen schnellen und unkomplizierten Einstieg – mit stark unterschiedlichen Ergebnissen.


  • 05.07.2024
  • Lesezeit: 5 Minuten
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Bootcamps spielen eine wichtige Rolle bei der Qualifizierung von Arbeitskräften und der Schließung von Kompetenzlücken. Insbesondere in der IT-Branche gibt es zahlreiche bestehende und neue Angebote. Diese Form der Qualifizierung verspricht eine intensive und praxisnahe Ausbildung in verschiedenen IT-Bereichen. Ein weiteres Versprechen ist, dass es Teilnehmenden möglich ist, innerhalb kurzer Zeit wertvolle Fähigkeiten zu erwerben.

Die Attraktivität dieser Programme ist mehr als nachvollziehbar. Sie bieten eine hervorragende Gelegenheit, sich schnell in einem neuen Bereich zurechtzufinden, wertvolle Kontakte zu knüpfen und dabei insgesamt wenig Zeit zu investieren. Gleichzeitig ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass es Bootcamps schwerfällt, ein adäquater Ersatz für ein Studium oder eine Ausbildung zu sein. Die Frage ist, ob sie das sein müssen und ob die Ansprüche, die an Bootcamps gestellt werden, zu hoch sind.

Schwerpunkte und Vorteile von Bootcamps?

Bootcamps haben ihren Ursprung im Jahr 2011 [1]. Bei der Dauer dieser Programme ist zwischen vier Wochen und einem Jahr praktisch alles dabei. Konkret festgelegt oder gar reglementiert ist das allerdings nicht. Die Laufzeiten lassen sich somit schwer miteinander vergleichen oder einschätzen. Bootcamps verkaufen sich dabei als intensive Trainingsprogramme. Das ist in vielen Fällen korrekt, da es in kurzer Zeit viel Stoff zu bewältigen gibt, den spezialisierte Trainer vermitteln. Allgemein werden Bootcamps Eigenschaften wie kürzere Lernzeiten, praxisorientiertes Lernen, Zugänglichkeit und Flexibilität beim Lernen zugeschrieben.

Bootcamp ist allerdings nicht gleich Bootcamp. Zusätzlich zu den unterschiedlichen Laufzeiten existieren diverse Formate. Beispielsweise Online-, Präsenz-, Vollzeit- und Teilzeit-Bootcamps. Online-Bootcamps bieten die Flexibilität, von überall teilzunehmen, während Präsenz-Bootcamps den direkten Kontakt mit Trainern und Mitlernenden ermöglichen. Vollzeit-Bootcamps sind intensiver und erfordern eine größere zeitliche Investition, während Teilzeit-Bootcamps besser für diejenigen geeignet sind, die nebenbei arbeiten oder andere Verpflichtungen haben.

Kritische Betrachtung

Tendenziell bieten Bootcamps eine gute Möglichkeit, schnell und effizient in einen IT-Bereich einzusteigen. Sie sind besonders nützlich für Quereinsteiger oder diejenigen, die ihre Fähigkeiten in einem bestimmten Bereich erweitern möchten. Zu vielen beruflichen oder persönlichen Situationen passen diese Lernformate zudem sehr gut.

Dennoch gelingt es nicht allen Teilnehmenden dieser Programme, im IT-Bereich tatsächlich Fuß zu fassen. Anbieter werben mit Anstellungsversprechen, was aber weder überprüfbar noch realistisch ist. Regionale Unterschiede und konkrete Inhalte der Bootcamp-Programme sind wichtige Faktoren, die bei der Arbeitsmarktsituation von Teilnehmenden entscheidende Rollen spielen. Kleine Unternehmen setzen verstärkt auf Absolventen von Bootcamps, während große Unternehmen oder Konzerne diese Art der Qualifizierung zunehmend für interne Zwecke nutzen. Hier gibt es aus Erfahrung ebenfalls starke Unterschiede. Einige Bootcamps nutzen Kooperationen mit Unternehmen und die Vorauswahl von Teilnehmenden, um zwischen Wirtschaft und Lernenden bessere Matches zu ermöglichen. Das macht insgesamt einen großen Unterschied bei späteren Bewerbungen oder beim Direkteinstieg bei Partnerunternehmen.

Bei einer kritischen Betrachtung wird zunehmend deutlich, dass die kurze Dauer eines Bootcamps selten ausreicht, um ein tiefgreifendes Verständnis eines Fachgebiets zu erlangen. Zudem ist mein Eindruck, dass viele Bootcamps zu viele Themen in den knappen Zeitraum quetschen, damit Teilnehmende zumindest kurze Berührungspunkte mit Methoden, Technologien und Arbeitsweisen haben. Das führt zu fast inflationär genutzten Begriffen in Lebensläufen und Vorstellungsgesprächen. Tiefer nachgefragt, verbirgt sich hinter diesen Begriffen aber allzu oft lediglich sehr oberflächliches Wissen, weit weg vom wirklichen Verständnis. Hier könnte weniger mehr sein, beispielsweise in Form von Spezialisierungen. Ein weiterer Eindruck aus vielen Gesprächen mit Bootcamp-Absolventen ist zudem, dass diese Programme gut darin sind, Teilnehmende auf die Jobsuche vorzubereiten, nicht aber darauf, diesen Job konkret auszuführen. Ein Problem, das allerdings viele andere Qualifizierungsformate ebenfalls haben.

Die Qualität und die Reputation von Bootcamp-Anbietern variieren zudem stark. Es ist wichtig, bei der Auswahl eines Bootcamps auf die Qualität der Trainer und den Ruf des Anbieters zu achten. Das trifft ebenfalls aus Sicht eines Unternehmens zu, das bei der Wahl einer Zusammenarbeit genau hinschauen muss. Aus Sicht von Teilnehmenden ist genau darauf zu achten, was ein Bootcamp erreichen möchte und was nicht. Einige adressieren explizit Einsteiger, andere verlangen in gewissen Bereichen Vorwissen. Herrscht hier Unklarheit, mündet das in viel Frust für alle Beteiligten.

Die Erwartungen an ein Bootcamp realistisch zu betrachten, ist essenziell. Es ist kein Ersatz für ein vollständiges Studium oder eine Ausbildung. Muss es das sein? Nein, absolut nicht. Eine solide Basis für einen Einstieg in die IT-Welt bieten diese Zertifikate durchaus. Wenn es allen Seiten bewusst ist.

Weitere Informationen

[1] Eine kurze Historie zu Bootcamps, siehe:
http://andrewcallahan.com/a-brief-history-of-coding-bootcamps//

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Zu Inhalten
Dr. Fabian Deitelhoff arbeitet nach seiner Promotion zu „Source Code Comprehension“ als IT-Leiter, Head of Software Development und Head of Product bei der Education Partners GmbH. Darüber hinaus ist er mit brickobotik in der MINTBildung und mit Loosely.Ruhr in der CrossPlattform-Softwareentwicklung tätig. Seine Schwerpunkte sind Low- und No-Code sowie digitale Geschäftsmodelle. Daneben ist er als freier Autor, Dozent und Softwareentwickler im .NET- und Web-Umfeld tätig.

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