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Kolumne von Richard Seidl : Gegen irgendwas zu sein, ist einfach

"Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich; jede unglückliche Familie jedoch ist auf ihre besondere Weise unglücklich."

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Richard Seidl

Berater, Coach und Autor


  • 27.06.2024
  • Lesezeit: 4 Minuten
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So beginnt der Klassiker "Anna Karenina" von Leo Tolstoi. Diese Worte begleiten mich seit einem Seminar vor ein paar Monaten und finden gerade wieder eine Resonanz in einer Thematik, die mir gesellschaftlich, politisch und in Unternehmen immer wieder auffällt. Und zwar geht es um die Grundmotivation von Menschen und Gruppen. Konkret das Metaprogramm Hin-zu/Weg-von.

Wir erleben gerade ganz viele Kontroversen und Konflikte in unserer Welt und immer wieder die Debatte zwischen Pro und Contra, diesem oder jenem. Aber was ist schon richtig oder falsch? In vielen Bereichen ist das, finde ich, gar nicht so einfach zu beantworten. Zum einen funktioniert das Kriterium schwarz/weiß nicht mehr – die Welt ist komplex an Graustufen und an vielen bunten Farben, die alle irgendwo "recht" haben. Und dann ist da auch immer die Frage: Wann beginnt eine Geschichte und wann endet sie? Und je nach Einstiegspunkt gibt es vielleicht mehr Argumente für die eine Seite – oder eben für die andere.

Aber abseits dessen gibt es noch ein anderes Phänomen: Menschen lassen sich leichter für ein "Weg-von" zusammenbringen als für ein "Hin-zu". Wobei das eigentlich nicht stimmt, denn dahinter stehen oft viele Wegvons. Nehmen wir das Beispiel der politischen Opposition: Es ist viel einfacher, gegen etwas zu sein als für etwas. Der Grund? Ganz viele! Es vereint die Ablehnung, der eine mag das nicht, der andere das. Der eine hat da Angst, der andere dort. Egal.

Dagegen!

Umgekehrt ist es viel schwieriger, dass alle an einem Strang ziehen. Ein gemeinsames Ziel finden, das zieht und vereint – und emotional ansprechend sollte es auch sein. Dass es da zu Schwierigkeiten kommt, merkt man auch deutlich, wenn langjährige Oppositionsparteien in die Regierung kommen. Es wird dann schnell offensichtlich, dass man doch nicht so einig war in der Sache. Es beginnen die internen Querelen und Schwierigkeiten. Was vorher so stark gewirkt hat, stellt sich als Schein-Stärke heraus, wenn es darum geht, etwas Konstruktives beizutragen, zu gestalten und ein gemeinsames Ziel zu verfolgen.

In unseren Entwicklungsteams sieht es da nicht anders aus. Lasst uns mal eine Retrospektive machen! Das geht schon mal nicht, weil je ein Teilnehmer meint:

  • keine Zeit zu haben,
  • dass die bisherigen Retros nichts gebracht haben,
  • dass die Hierarchiestufen beachtet werden müssen,
  • dass wir eh nichts bewirken können,
  • dass die Retroformate nur Spielerei sind,
  • dass der Workshopleiter/Coach eine Pfeife ist,
  • sich von dem eh nichts sagen zu lassen,
  • ...

Und jetzt können wir natürlich in die Argumentationsfalle kippen: Aber schaut doch, das ist so ein tolles Format, damit können wir uns weiterentwickeln! Stille.

Im mittelprächtigsten Fall ist es damit erledigt. Im schlechtesten verschärft sich der Konflikt. Argumente, Gegenargumente, Beschimpfungen, Koalitionen, Oppositionen. Schlussendlich: massive Zeitverschwendung.

Ein paar Ideen, wie mit Gegenteilsortierern und solchen Situationen umgegangen werden kann:

  • What‘s in it for me: Wir argumentieren gerne mit Dingen, die uns wichtig sind. Was aber viel interessanter ist: Was braucht der andere? Warum sagt er Nein? Welche Angst hat er? Wir müssen ihm die Antwort geben: Was hat er davon?
  • Emotionales Ziel: Wir müssen ein Ziel entwickeln, das zieht. 10 Prozent mehr Umsatz holt kaum einen Mitarbeiter ab. Wertschätzung für seine Arbeit vielleicht schon. Das gilt es rauszuarbeiten. Da haben es Startups und kleine Unternehmen viel leichter. Denn dort ist der Zweck der Tätigkeiten, das Warum, dem Mitarbeiter viel näher und viel greifbarer als in der siebten Führungsebene als Sachbearbeiter in einem Konzern. Aber auch hier ist Emotionalisierung möglich!
  • Wir könnten auch falschliegen: Wer sich auf eine ehrliche Diskussion einlässt, muss damit klar kommen, vielleicht im Unrecht zu sein. Wer im Vorhinein schon weiß, "ich habe recht und muss jetzt überzeugen", wird nicht viel bewirken. Dieses Eingeständnis ist uns heutzutage leider abhandengekommen.

Und vielleicht ergibt sich in der Diskussion auf einmal eine ganz neue Möglichkeit. Könnte doch sein, oder? Nein? Aber möglich wäre es doch. Einfach mal drauf einlassen.

Ihr Richard Seidl

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Richard Seidl

Berater, Coach und Autor
Zu Inhalten

Richard Seidl ist Berater, Coach und Autor. Er hat in seiner beruflichen Laufbahn schon viel Software gesehen: gute und schlechte, große und kleine, neue und alte. Software so schön, dass man weinen könnte, und auch solche, wo es Fußnägel aufrollt. Für ihn ist klar: Wer heute exzellente Software kreieren möchte, denkt den Entwicklungsprozess ganzheitlich: Menschen, Kontext, Methoden und Tools.


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