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Kolumne von Stefan Wess: Dauerhaft gute Geschäfte dank Weltuntergang

Marktwirtschaft ist hart. Nur die besten Unternehmen überleben. Ein USP – Unique Selling Point – hilft dabei, die Wettbewerber auf Abstand zu halten. Was aber tun, wenn gar kein wirklicher Marktvorteil besteht? Dann helfen nur noch fiese Tricks. Zum Beispiel der Kniff mit dem nahen Weltuntergang.

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Stefan Wess

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  • 28.08.2024
  • Lesezeit: 3 Minuten
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Die Verwertungsrechte eines Kunstwerks liegen beim Künstler und können bis zu 70 Jahre nach seinem Tod durch die Erben wirtschaftlich genutzt werden. Danach ist das Kunstwerk gemeinfrei. Ein Patent schützt die wirtschaftliche Verwertung einer Erfindung. Die Laufzeit beträgt hier 20 Jahre.

„Wie kann ich meine gigantischen Investitionen amortisieren?“

Die KI unterliegt nicht dem Urheberecht und kann nur sehr schwer patentiert werden. Die Künstliche Intelligenz ist eine absolute Hochtechnologie. Sie erfordert Spezialwissen von hochbezahlten Experten und eine sehr spezielle Hardware. Weltweit können hier nur noch wenige Länder und sehr wenige Unternehmen mithalten. Deutschland ist weit abgeschlagen.

Wie wäre es, wenn dies einfach nicht stimmen würde? Wie wäre es, wenn die aktuellen KI-Ansätze eine einfache Technologie und das Wissen und die notwendigen Daten dazu relativ frei verfügbar wären? Wie wäre es, wenn es sich am Ende „nur“ um ein „Rechenmonster“ handeln würde, dessen Nahrung einzig und allein das notwendige Kapital zur Bezahlung von immensen Stromrechnungen wäre? Die vermutlichen technischen Daten von ChatGPT sind sehr imposant: Eine Trainingsphase mit 13 Billionen Token und 2,15 Billionen TeraFLOPS erzeugen ein Modell mit 1800 Milliarden Parametern. Mein Kollege hat dies für mich in eine etwas anschaulichere Form gebracht: Ein Bücherregal von 400 km Länge wird von einem durchschnittlichen Server 68.000 Jahre lang verarbeitet und erzeugt dabei ein Excel-Sheet in der Größe von 30.000 Fußballfeldern. Beeindruckend.

Trotzdem sind LLMs wohl die Technologie, die in der IT am schnellsten zu einer Commodity geworden ist. So schwer kann es dann nicht sein, wenn in wenigen Monaten eine Vielzahl von Kopien auf dem Markt ist. Weltweit gibt es inzwischen schon über hundert dieser LLMs und die Zahl wächst rasant. Mark Zu-ckerberg hat kürzlich das LLM Llama 3 veröffentlichen lassen. Es ist ein frei verfügbares Open-Source-LLM und kann mit den großen Playern wie GPT-4 und Claude 3 durchaus mithalten. Hohe Stromrechnungen können scheinbar viele zahlen, auch ohne direkte Gewinnabsicht.

Was tue ich, wenn ich Milliarden in die Entwicklung eines KI-Monsters gesteckt habe, welches fast jeder auch umsonst verwenden kann? Was tue ich, wenn Urheberschutz, Patente, eine „Secret Source“, das heißt, ein sehr spezifisches Know-how und die anderen klassischen „Walled Garden“-Konzepte der IT wie Netzwerkeffekte, Industriestandards oder sonstige „Lock-in“-Ideen, bei einem LLM gar nicht greifen? Wie kann ich meine gigantischen Investitionen amortisieren und hohe Gewinne einfahren?

„Ich überhöhe die Fähigkeiten der Technologie dramatisch“

Ich nehme mir zum Beispiel die Pharmaindustrie als Inspiration. Ich beschwöre zunächst einmal den Weltuntergang durch die von mir selbst geschaffene KI-Technologie. Ich rufe Regierungen und sogar die UN um Hilfe und bitte gnädig darum, unter eine sehr strenge Kontrolle durch Behörden gestellt zu werden. Fertig.

Was zunächst völlig verrückt klingt, macht aber durchaus Sinn. Wenn meine Technologie sogar in der Lage ist, einen Weltuntergang auszulösen, überhöhe ich deren Fähigkeiten dramatisch und erzeuge noch mehr Bedarf. Wenn Regierungen auf den Druck der Öffentlichkeit reagieren und anfangen, die KI stark zu regulieren und so bürokratisch zu hemmen, habe ich zudem den gewünschten Schutz vor den meisten Wettbewerbern. Jeder Anwender muss für sich selbst die bürokratischen Hürden überwinden, was viel Zeit und viel Geld kosten wird.

Ich habe dies aber natürlich schon, ganz im Sinne meiner Kunden, getan. Ein Schelm wer dabei Böses denkt. Wenn es also wieder einmal um den Weltuntergang gehen sollte, sollte man daher immer erst fragen „Cui bono, Sam?“

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Stefan Wess

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Dr. Stefan Wess ist geschäftsführender Gesellschafter der Empolis Management GmbH, anerkannter Hightech-Experte und KI-Pionier. Er ist außerdem Mitglied im Aufsichtsrat des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), im Vorstand der Science & Innovation Alliance Kaiserslautern sowie Kurator der Fraunhofer Gesellschaft.

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