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„Low Code: Frischer Wind für die Softwareentwicklung“

Die Entwicklung digitaler Lösungen und neuer Anwendungen dauert oft Wochen und Monate – und damit zu lang, um am Markt bestehen zu können. Low Code Development soll hier für frischen Wind und mehr Agilität sorgen. Sie kann die Softwareentwicklung beschleunigen und mithilfe vorkonfektionierter Bausteine auch Nicht-Entwicklern – Citizen Developern – die Möglichkeit geben, aktiv am Entwicklungsprozess teilzunehmen. JavaSPEKTRUM sprach mit Maximilian Hille, Senior Analyst bei Crisp Research, über diesen Trend.
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Christoph Witte

Chefredakteur IT Spektrum und BI-Spektrum


  • 31.01.2020
  • Lesezeit: 7 Minuten
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JavaSPEKTRUM: Wie definieren Sie Low Code?

Hille: Low Code ist eine Lösung, um einen wesentlichen Teil der Softwareentwicklung zu standardisieren und zu automatisieren – vor allem repetitive Aufgaben. Mithilfe von vorkonfektionierten Bausteinen oder Metatools lässt sich eine (Enterprise-)Applikation zusammenstellen. Manuelle Entwicklungsarbeit über Code ist nicht mehr zwingend notwendig. Mithilfe von Backend-Konnektoren können Business-Logiken und Workflows integriert werden, um diese als vorgegebene Funktion umzusetzen. Darüber hinaus werden zahlreiche Services für das Management des Anwendungslebenszyklus sowie regelmäßige Updates bereitgestellt.

Was sind die Vorteile?

Low-Code-Entwicklung sichert Unternehmen ihre Handlungsfähigkeit. Sie vereint neben einem pragmatischen Ansatz einen hohen Anspruch an die Softwareund Codequalität mit neuesten Programmierphilosophien und dem offenen Zugang für Nicht-Entwickler, ohne die traditionelle Entwicklungsmethodik infrage zu stellen oder komplett ersetzen zu können. Digitale Geschäftsmodelle und Anwendungen sind bis dato abhängig von eigenen oder externen Entwicklern und haben oft (zu) lange Entwicklungszeiten. Mehr als 60 Prozent aller Anwendungen benötigen heute auf traditionellem Weg zur Fertigstellung mehrere Monate. Mit Low Code Development kann der Entwicklungsprozess deutlich beschleunigt werden.

Was treibt den Trend „Low Code“?

Unternehmen können damit die Entwicklung von Business-Anwendungen ein Stück weit zu den Fachabteilungen verschieben. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einem sind Entwicklungskapazitäten knapp und zum anderen steigt der Bedarf an individuellen Softwarelösungen in Unternehmen stetig. Technikbegeisterte und -versierte Anwender, die „Citizen Developer“ in den Fachabteilungen, sind damit in der Lage, einen Teil der Entwicklungsaufgaben zu übernehmen. Dazu werden ihnen über Low-Code-Plattformen hoch integrierte Tools an die Hand gegeben, die ihnen das weitgehende Erstellen von Softwarelösungen erlauben.

Wie verbreitet ist Low Code?

Das Phänomen Low Code steckt in Deutschland noch vielerorts in den Kinderschuhen – vor allem, wenn es um die praktische Umsetzung geht. Der Low-Code-Ansatz hat schon einige Kreise gezogen, ist aber dennoch nicht jedem bekannt. Obwohl es schon einige Zeit ähnliche Ideen und Ansätze gibt, erlebt Low Code erst in letzter Zeit eine hohe Aufmerksamkeit in Deutschland.

In den 90er Jahren gab es „Rapid Application Development“. Das ist in der Versenkung verschwunden. Woher kommt jetzt das Interesse an Low Code?

Low Code ist nicht neu. Die Idee von Rapid Application Development funktioniert eigentlich genauso – und die damaligen Vorreiter haben noch heute einen Vorsprung. Low Code passt heute besser zum Zeitgeist: Die Relevanz von Anwendungen und die Geschwindigkeit der Release-Zyklen sind gestiegen. Auf Low-Code-Plattformen können die Unternehmen schnell auf Veränderungen reagieren.

Für welche Anwendungsbereiche eignensich Low-Code-Plattformen und -Anwendungen?

Ob Workflow & Collaboration-Apps für Mitarbeiter oder schlichte Info-Apps, ob Business-Apps für ERP oder Sales und Marketing – die Einsatzbereiche sind vielfältig. Gerade für den Kunden sollen zukünftig vermehrt Apps via Low Code entwickelt werden. Allerdings ist zu beachten: Geeignet für Low-Code-Lösungen sind vor allem Webportale, Business-Workflows und der Bereich E-Commerce. Also vor allem Bereiche, in denen viele Standardkomponenten zum Einsatz kommen, die immer gleich sind und kaum Unterschiede aufweisen – beispielsweise bei Ansichten eines Shops. Je komplexer jedoch die Anwendung und je höher die Funktionsdichte, umso schneller stößt Low Code an seine Grenzen. Beispielsweise im Spielebereich oder bei Standardsoftware erfolgt die Abgrenzung zum Großteil über einzelne Features und die Art ihrer Entwicklung. Low Code ist hier aufgrund des hohen Standardisierungsgrades nicht unbedingt optimal.

Application Platform as a Service: Ist das einer der wesentlichen Betätigungsbereiche für Low Code?

Das ist ein wichtiger Bereich, und Low Code/aPaaS wird teilweise auch synonym verwendet – nicht zu Unrecht. Denn es geht um die Infrastruktur-Bereitstellung. Allerdings definieren wir Low Code stärker anwendungsorientiert, während aPaaS eher automationsund infrastrukturorieniert ist. Doch die Bereiche liegen sehr nah beieinander, und eine gute Low-Code-Plattform beinhaltet immer auch aPaaS-Features.

Welche Low-Code-Plattformen gibt es derzeit?

Aktuell zeichnen sich auf dem Markt für Low-Code-Plattformen folgende drei Typen ab:

Low-Code-Plattform als Entwickler-Tool: Primärer Einsatzzweck dieser Allzweck-Plattform ist die Low-Code-Entwicklung selbst. Darunter gibt es Spezialformen, die vor allem für Entwickler als Entwickler-Tool konzipiert sind. Als Standalone-Produkt kann der Fokus dabei auf bestimmten Branchen oder Einsatzszenarien liegen. Je höher der manuelle Code-Anteil, desto größer sollte das Development-Skill-Niveau der Nutzer sein.

Plattform für Business Process Management & Collaboration mit Low Code (PaaS): Sie ermöglicht insbesondere die internen Kommunikations- und Prozessstrukturen modern und individuell zu gestalten. Durch die Integration vorhandener Daten und Programme und die flexibel anpassbaren Anwendungen und Workflows kann die Low-Code-Plattform zum Dreh- und Angelpunkt für dynamische Teamarbeit und ein wichtiger Baustein für einen digitalen Arbeitsplatz werden.

Digital/Multi Channel Experience Platform mit Low Code (MBaaS): Als virtueller Architektur-Layer gewährleistet sie die Schnittstelle zwischen Backend-Services und einer mobilen App beziehungsweise einem digitalen Service und die Entwicklung und App-Nutzung im Backend. Durch Low Code können damit auch im Frontend möglichst schnell lauffähige Mobile und Multi-Channel-Apps realisiert werden. Hier können vor allem Designer und Nutzer aus dem Bereich Marketing vom hohen Funktionsumfang und Usability profitieren.

Die meisten dieser Plattformen sind proprietär?

Ja, man geht einen gewissen Vendor-Lockin ein. Open-Source-Komponenten und echte Flexibilität fehlen. Dies wird aber durch Standardisierung und Konsolidierung und damit durch schlankere Anwendungsarchitekturen wieder wettgemacht.

Was macht der Low-Code-Trend mit Entwicklern?

Low Code Development und klassisches Coded Development werden stärker zusammenwachsen.

Für eine Low-Code-Plattform auf Enterprise-Niveau müssen Code- und Low-Code-Funktionen kombiniert werden. Für Unternehmen mit eigenen Development-Teams eignet sich Low Code dabei als attraktives Entwickler-Tool, um zusätzlich Agilität im Development-Prozess zu gewinnen und für die Erstellung und Anpassung der Anwendungen auf einer Low-Code-Plattform alle Stärken ausspielen zu können.

Und: Low Code Development öffnet die Anwendungsentwicklung auch für neue Teams. Sind die Unternehmen einmal mit den Einsatzmöglichkeiten und Abläufen auf der Plattform vertraut, bieten diese potenziell hohe Synergie- und Geschwindigkeitspotenziale, wenn es darum geht, digitale Assets für die eigenen Geschäftsprozesse oder neue Business-Modelle zu erschaffen. Die Existenz der neuen Gruppe „Citizen Developer“ ist dabei das womöglich größte Potenzial. Voraussetzung ist jedoch, dass die Einführung, Verantwortlichkeiten und Prozesse von Beginn an klar definiert sind, um das Zusammenspiel zwischen den Teams und die Motivation der Profi-Entwickler nicht zu gefährden. Letztere sollten dem Trend auf jeden Fall offen gegenüberstehen: Denn sie sind und bleiben Master dieses Codes.

Maximilian Hille ist Senior Analyst und Practice Lead bei Crisp Research. Er studierte Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik und seine Schwerpunktthemen sind Cloud Platforms, Cloud Architecture Design, Hybrid & Multi Cloud Computing, Cloud-native Architectures, Digital Workplace, Collaboration, Enterprise Mobility und Mobile Business.

Das Interview führte Christoph Witte, E-Mail: cwitte@wittcomm.de, Fotoquellen: Crisp Research

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Christoph Witte

Chefredakteur IT Spektrum und BI-Spektrum
Zu Inhalten

Christoph Witte ist Gründer der Wittcomm Agentur für IT, Publishing und Kommunikation. Darüber hinaus ist er Chefredakteur von IT Spektrum sowie BI-Spektrum und wirkt zudem bei dem Magazin JavaSPEKTRUM mit.


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