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Nachhaltigkeit & Technologie: Enterprise-Architektur als Treiber der Nachhaltigkeitsagenda

Nachhaltigkeit ist in den vergangenen Jahren zu einem festen strategischen Baustein vieler Organisationen geworden. Dies ist zunächst den zahlreichen regulatorischen Anforderungen wie der EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD, Corporate Sustainability Reporting Directive) oder dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) geschuldet. Zum anderen drängen immer mehr Kunden und Investoren auf nachhaltige Geschäftspraktiken und entsprechende Transparenz. Zweifelsfrei gewinnt das Thema damit zunehmend auch an ökonomischer Bedeutung.

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Dimitri Bolev

Berater

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Marco Klapper

Enterprise-Architekt

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Jan Thurein

Projektleiter


  • 22.08.2024
  • Lesezeit: 20 Minuten
  • 150 Views

Mit dieser „grünen Revolution“ ergeben sich auch neue Handlungsfelder für die IT: Zwar ist der (kosten-)effiziente Betrieb der eigenen Infrastruktur seit jeher Teil einer jeden IT-Strategie, ein ganzheitliches Konzept für die Erreichung neuer, ambitionierter Nachhaltigkeitsziele fehlt in vielen IT-Bereichen aber noch immer.

Hier schlägt die Stunde der Enterprise-Architekten: Als Bindeglied zwischen Fachbereich und IT nehmen sie eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung und Umsetzung der IT-Nachhaltigkeitsagenda ein. Ausgehend von den Zielen der Organisation sowie den regulatorischen Anforderungen leiten sie ein ganzheitliches IT-Zielbild für die digitale und „grüne“ Zwillingstransformation ab. Dieses beschreibt zunächst die (messbaren) Nachhaltigkeitsziele sowie relevante Handlungsfelder. Darüber hinaus definieren Enterprise-Architekten die fachlichen Fähigkeiten, Daten, Tools, organisatorischen Strukturen und Initiativen, welche für die Erreichung der gesteckten Ziele benötigt werden. Dabei müssen zum Teil Nachhaltigkeitsziele gegen andere Unternehmensziele abgewogen und bestehende IT-Empfehlungen sowie Prioritäten überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

Dieser Artikel beschreibt zunächst, wie Enterprise-Architekten ein Zielbild für ein digitales Nachhaltigkeitsmanagement entwickeln, das neben regulatorischer Compliance auch eine ganzheitliche Steuerung der Nachhaltigkeitstransformation ermöglicht (vgl. folgenden Abschnitt zum Zielbild).

Der zweite Abschnitt zu Enterprise-Architektur (EA) geht etwas umfassender auf Handlungsempfehlungen für die grüne Transformation der IT-Landschaft ein, welche wir als eine der Kernaufgaben der EA in den nächsten Jahren betrachten.

Der dritte Abschnitt zur Rolle der EA zeigt schließlich beispielhaft auf, wie digitale Technologien bei der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen von Fachbereichen helfen können. Enterprise-Architekten sind hierbei gefordert, datengetriebene Entscheidungen auf Unternehmensebene und in den Fachbereichen zu ermöglichen und die digitalen Initiativen mit dem größten Hebel für die gesteckten Ziele zu forcieren.

Entwicklung eines Zielbilds für das digitale Nachhaltigkeitsmanagement

Um ihre ambitionierten Ziele zu erreichen, benötigen Organisationen ein ganzheitliches Zielbild für das digitale Nachhaltigkeitsmanagement. Damit sind zum einen klare Zielsetzungen für Fachbereiche und IT verbunden, insbesondere die Reduktion von Energieverbrauch beziehungsweise von CO2-Emissionen und die Einsparung von Ressourcen, aber auch die Konformität mit Reporting-Anforderungen. Zum anderen werden darin die relevanten Handlungsfelder und Initiativen entlang der Wertschöpfungskette identifiziert und priorisiert, mit denen die Ziele erreicht werden sollen. Schließlich müssen diese Initiativen mithilfe geeigneter Technologien umgesetzt werden. Enterprise-Architekten sollten bei all diesen Schritten involviert sein.

Für die meisten Organisationen stellt das ESG-Reporting den Startpunkt ihrer grünen Transformation dar. Mittels sogenannter Wesentlichkeitsanalysen identifizieren sie die wesentlichen Bereiche der Organisation in Bezug auf die gesetzlich vorgeschriebenen beziehungsweise selbst gesteckten Nachhaltigkeitsziele. Diese Analyse ist Grundlage für die Erstellung des öffentlichen Nachhaltigkeitsberichts. Die Steuerung der gesetzten Ziele fällt vielen Organisationen aber noch schwer, da vielfach ein ganzheitliches Konzept fehlt, welches die oft abstrakten strategischen Ziele mit den zahllosen regulatorischen und operativen Anforderungen verbindet. Ein EA-Zielbild kann helfen, diese Verbindung herzustellen. Hierfür verwenden Architekten sogenannte Capability- beziehungsweise Fähigkeitsmodelle, welche die komplette Wertschöpfungskette der Organisation vereinfacht abbilden. In einem solchen Modell können strategische Nachhaltigkeitsziele mit der Wertschöpfungskette und damit verbundenen Bereichen, Prozessen, Daten und Technologien verbunden werden. Damit können Handlungsfelder und Anforderungen identifiziert werden, die für die Erreichung der Ziele das vermeintlich größte Potenzial haben (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Mittels einer strukturierten Enterprise-Architektur kann Transparenz geschaffen werden, wie das ESG-Reporting (Environmental, Social and Governance) aggregiert wird

Beispielhaft lässt sich das an dem Ziel „Zirkularität“ aufzeigen: Ein Enterprise-Architekt würde die Capabilities identifizieren, die für die Zielerreichung notwendig sind, beispielsweise „Produktdesign“, „Materialplanung“, „Beschaffung“ und „Recycling“. Für jede dieser Capabilities lassen sich relevante Metriken definieren, welche die Zielerreichung messbar machen. Schließlich müssen die dafür erforderlichen Daten(-quellen) identifiziert werden. Im konkreten Beispiel ist das sehr wahrscheinlich das ERP.

Eines der wichtigsten Elemente eines solchen Zielbilds ist eine solide Datenbasis, welche für das Reporting sowie das Compliance-, Risiko- und Performance-Management benötigt wird. Die Erfassung, Aufbereitung und strukturierte Bereitstellung von Daten in Form von Reports, Dashboards beziehungsweise technischen Schnittstellen schafft Transparenz und hilft der Organisation, nachhaltige Entscheidungen zu treffen.

Aufgrund der Komplexität des Themas ist es von zentraler Bedeutung, dass diese Daten automatisiert erhoben und verarbeitet werden und damit verbundene Prozesse über die gesamte Organisation hinweg digitalisiert werden. Der Markt bietet hierfür zahlreiche ausgereifte Werkzeuge und Tools. Diese können auch dabei helfen, manuelle Aufwände zu reduzieren, zum Beispiel indem sie Bibliotheken mit ESG-Metriken bereitstellen oder eine semi-automatische Nachverfolgung von Initiativen ermöglichen. Enterprise-Architekten sollten Organisationen dabei unterstützen, die richtigen Tools auszuwählen und zu implementieren. Das EA-Zielbild ist dafür die Basis.

EA als Gestalter einer nachhaltigen IT-Domäne

Basierend auf dem entwickelten Zielbild sollten Enterprise-Architekten einen umfassenden Ansatz zur Reduzierung des Energie- und Ressourcenverbrauchs der IT entwickeln und dafür sorgen, dass Nachhaltigkeitsprinzipien im Fundament der IT-Landschaft verankert werden. Schließlich sind hiermit auch signifikante Kosteneinsparpotenziale verbunden. Dieser Abschnitt beschreibt drei wesentliche Hebel, die Enterprise-Architekten dabei berücksichtigen sollten (siehe Abbildung 2).

Abb. 2: Das Fundament und die Säulen für Nachhaltige IT

Minimierung fachlicher Redundanz

Die meisten IT-Mitarbeiter denken beim Thema Nachhaltigkeit vor allem an effizientere Software und moderne Datenzentren. Eine „effiziente“ IT ist aber noch lange nicht „nachhaltig“. Enterprise-Architekten wissen um die hohe Komplexität ihrer Applikationslandschaften, die in der Regel signifikante Duplikation und Redundanz mit sich bringen. Es ist die Kernaufgabe eines jeden Enterprise-Architekten, Potenziale zur Konsolidierung der Applikationslandschaft zu identifizieren, nicht mehr benötigte Programme endgültig abzuschalten und damit Ressourcen freizugeben.

Ein weiterer Hebel ist die Reduzierung ungenutzter Daten (sog. „Dark Data“). Es wird geschätzt, dass 50 bis 90 Prozent aller von Organisationen gespeicherten Informationen keinen Nutzen für sie haben, weil sie entweder veraltet sind oder ohne tatsächliche fachliche Notwendigkeit erfasst wurden. Die Speicherung dieser Daten und die Herstellung der dafür erforderlichen Speichersysteme verbraucht viel Energie und Ressourcen. Um diese Verschwendung zu minimieren und das stetig wachsende Datenvolumen einzudämmen, sollten Organisationen ein effektives, nachhaltiges Datenmanagement etablieren: Mittels intelligenter Datenbereinigung können unnötige oder veraltete Daten automatisch gelöscht oder in energieeffizientere Langzeitarchive überführt werden.

Daten-Deduplikation kann helfen, doppelte Daten zu identifizieren und zu eliminieren und damit Speicheranforderungen zu reduzieren. Und mit dem Einsatz von Kompressionstechniken kann zusätzlich die Größe der gespeicherten Daten reduziert werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass jede (De-)Kompression Rechenleistung und damit Energie erfordert, weshalb die Nachhaltigkeit solcher Techniken davon abhängt, wie häufig auf die Daten zugegriffen wird.

Ein nachhaltiges Datenmanagement sollte zudem eine Strategie zur intelligenten Replikation und Sicherung wichtiger Daten beinhalten. Solche Daten müssen auch nach IT-Ausfällen, Cyber-Angriffen oder versehentlichem Löschen zuverlässig wiederherstellbar sein und werden deshalb meist mehrfach gespeichert (z. B. gemäß der oft empfohlenen 3-2-1-Backup-Regel mindestens 3-fach), womit ein erheblicher Energieverbrauch verbunden ist. Anstatt das gesamte System oder einen Datensatz zu replizieren, können sich Organisationen auf kritische oder häufig zugegriffene Daten konzentrieren („selektive Replikation“) und den mit den Backups verbundenen Energieverbrauch erheblich reduzieren. Es versteht sich von selbst, dass von der Löschung beziehungsweise dem Ausschluss von „Dark Data“ von der Sicherung (vgl. vorheriger Absatz) ein enormer Multiplikatoreffekt ausgehen kann. Darüber hinaus kann eine Konsolidierung beziehungsweise Zentralisierung von Sicherungsaktivitäten sinnvoll sein. Anstatt separate Sicherungssysteme für jede Abteilung oder Einheit zu unterhalten, können Organisationen diese Operationen unter Verwendung von Virtualisierungstechnologien zentralisieren, um den gemeinsamen Fußabdruck zu reduzieren.

Natürlich verursachen die Eliminierung redundanter Applikationen sowie der Aufbau eines nachhaltigen Datenmanagements Kosten, die möglicherweise in keinem Verhältnis zu den gesparten Energie- und Speicherkosten stehen. Derartige Maßnahmen sind aber oft auch aus anderen technischen oder betrieblichen Gründen sinnvoll. Es gehört zur Kernaufgabe eines Enterprise-Architekten, derartige Abwägungen zu treffen und – im Einklang mit einer ganzheitlichen IT-Strategie – effektive Maßnahmen zu definieren.

Nachhaltige Softwareentwicklung

Die zweite Säule einer nachhaltigen IT ist die effiziente Softwareentwicklung (siehe Abbildung 3).

Abb. 3: Die Faktoren der nachhaltigen Softwareentwicklung

Nachhaltige Software hat geringe Anforderungen an die Hardware (d. h. an Server und Speicher, aber auch an Endgeräte), kann lange eingesetzt werden und ist flexibel erweiterbar. Enterprise-Architekten sollten zusammen mit Entwicklerteams geeignete Prinzipien und Maßnahmen entwickeln, um den Ressourcenverbrauch von Softwaresystemen zu minimieren, ohne deren Funktionalität oder Leistung zu beeinträchtigen.

Ein wesentlicher Faktor für effiziente Software ist deren Architektur. So ist es grundsätzlich ratsam, Software modular und idealerweise weitestgehend „stateless“ aufzubauen, um eine elastische Skalierung zu ermöglichen. Cloud-native Serverless-Architekturen und Functionsas-a-Service (FaaS) sind hierbei besonders hervorzuheben. Sie erlauben eine bedarfsabhängige Ausführung von Funktionen, ohne dass dafür dauerhaft Hardwarekapazität bereitgestellt werden muss. Energie wird also nur verbraucht, wenn die Anwendung genutzt wird.

Auch sollten Entwickler eine bewusste Wahl zur Programmiersprache und zu den eingesetzten Developer-Frameworks treffen, die jeweils große Auswirkungen auf die Energieeffizienz einer Anwendung haben: So haben interpretierte Sprachen wie Python oder Ruby einen bis zu 75-mal höheren Energieverbrauch als kompilierte Sprachen wie C oder Rust [TNT]. Natürlich sind Sprachen wie Python insbesondere im Data Science nicht wegzudenken. Aber durch den Einsatz effizienterer Sprachen etwa in umliegenden Anwendungen lässt sich viel Energie sparen!

Unabhängig von der Architektur und gewählten Sprache sollten Entwickler „schlanke“ Softwareentwicklungspraktiken befolgen. Zunächst sollten Anwendungen auf ihre Kernfunktionalitäten reduziert und Anforderungen kontinuierlich bewertet und optimiert werden, sowohl hinsichtlich ihrer Notwendigkeit als auch ihrer Performance. Zweitens sollten nur wesentliche Daten gesammelt, verarbeitet, gespeichert oder übertragen werden. Entwickler sollten Datenmodelle sorgfältig analysieren und unnötige Duplikationen oder Wiederholungen eliminieren. Datenbanknormalisierungstechniken können angewendet werden, um (redundante) Datenstrukturen zu optimieren. Drittens hilft „schlanker“ Programmcode, die Rechenkomplexität und damit die Anzahl der ausgeführten Anweisungen beziehungsweise die Laufzeit zu reduzieren. Dies erleichtert zudem die Wartung des Codes. All diese Maßnahmen tragen zu einer geringeren Belastung der Hardware und damit zu Energieeinsparungen bei.

Eine weitere Optimierungsmöglichkeit betrifft das Hardware-Ressourcenmanagement. Softwareingenieure können Techniken wie intelligentes Caching, Datenkompression und Netzwerkoptimierung nutzen, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Darüber hinaus können sie Hardwarefunktionen und Energiemanagementmechanismen einsetzen, um Ressourcen effizienter zu nutzen. Beispiele dafür sind die Nutzung von Ruhemodi, die dynamische Anpassung von Prozessorfrequenzen und die Optimierung der Aufgabenplanung. Letzteres zielt darauf ab, rechenintensive Operationen nicht während Spitzenlastzeiten auszuführen, sondern an der Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien auszurichten: Viele Prozesse sind nicht zeitkritisch und können dann ausgeführt werden, wenn der Anteil der Erneuerbaren besonders hoch ist („carbon-aware“ Applikationen).

Neben den genannten technischen Aspekten der Softwareentwicklung, die auf eine möglichst energieeffiziente Ausführung von Anwendungen ausgelegt sind, muss in einer ganzheitlichen Betrachtung auch der übrige Software-Lebenszyklus berücksichtigt werden. Dazu gehören Entwicklungs-, Test-, Bereitstellungs- und Wartungsphasen. Durch den Einsatz effizienter Build- und Bereitstellungsprozesse (z. B. von Entwicklungs- und Testumgebungen) können Organisationen den Gesamtenergieverbrauch im Zusammenhang mit der Softwareentwicklung reduzieren.

Abschließend sollten alle am Software-Lebenszyklus Beteiligten über die notwendigen Werkzeuge und Tools verfügen, um Energieverbrauchsmuster zu analysieren sowie Ineffizienzen zu ermitteln, und gezielte Maßnahmen ergreifen, um die Effizienz von Software kontinuierlich zu verbessern. Es ist Aufgabe der EA, dies sicherzustellen.

Abb. 4: Durch gezielte Analysen lassen sich Effizienzen in der Software identifizieren

Nachhaltige Infrastruktur

Die dritte Säule einer nachhaltigen IT ist eine effiziente Infrastruktur. Dabei gibt es drei wesentliche Bereiche zu berücksichtigen: die Auslastung der Hardware, ihre Energieeffizienz und Lebensdauer sowie die Effizienz und die CO2-Intensität der von der Organisation genutzten Rechenzentren. Enterprise-Architekten müssen die Effizienzpotenziale, die in diesen Bereichen schlummern, kennen und entsprechende Maßnahmen zur Energie- und Ressourcenverringerung einleiten.

Die erste Maßnahme für eine nachhaltige Infrastruktur ist die Maximierung der Auslastung (siehe Abbildung 5).

Abb. 5: Je höhere die Auslastung desto energieeffizienter die Nutzung

Studien zeigen, dass der optimale Energieverbrauch von Servern bei einer Auslastung von 80 bis 90 Prozent liegt, viele Server in On-premise-Rechenzentren jedoch im Durchschnitt nur mit einer Auslastung von 20 bis 30 Prozent laufen, manche sogar komplett ohne Anwendungslast (sog. „Zombie-Server“). Durch die Erhöhung der Auslastung sinkt der durchschnittliche Energieverbrauch von Anwendungen, da der relative Anteil der Servergrundlast (z. B. für das Betriebssystem) an der gesamten Leistungsaufnahme kleiner wird. Ähnlich verhält es sich bei Speichern und Netzwerken.

Maßnahmen zur Steigerung der Auslastung umfassen in erster Linie Virtualisierungstechniken. Zudem helfen Technologien zur Infrastrukturautomatisierung, Ressourcen und Umgebungen je nach Bedarf bereitzustellen beziehungsweise dynamisch hoch und herunter zu skalieren (in Kombination mit der passenden Softwarearchitektur!). Und selbstverständlich sollten Zombie-Server stillgelegt werden!

Zweitens sollten die Energieeffizienz von Hardware und der Ressourcenverbrauch über ihren gesamten Lebenszyklus bewertet werden. So hat der technische Fortschritt in den letzten Jahren zum Teil Effizienzsteigerungen von 50 bis 200 Prozent zwischen zwei Prozessorgenerationen ermöglicht. Nun könnte eine Strategie sein, stets die neuste und effizienteste Hardware zu beschaffen. Das wäre aber zumindest fragwürdig, da hierbei nicht die für die Herstellung und den Transport der Hardware aufgewendeten Ressourcen und das emittierte CO2 berücksichtigt werden (Letzteres kann bis zu 40 Prozent der Emissionen über den gesamten Lebenszyklus ausmachen). Ist die Lebensdauer zu kurz, lässt sich dies auch durch einen deutlich verringerten Verbrauch nicht ausgleichen. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass eine pauschale Empfehlung, die Nutzungsdauer existierender Ausrüstung zu verlängern, nicht sinnvoll ist, da deutlich effizientere Hardware die Gesamtbilanz ab einem gewissen Punkt verbessern kann. Organisationen müssen also sorgfältig abwägen, wann eine Neubeschaffung ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist (siehe Abbildung 6).

Abb. 6: Energie wird während der Nutzung und Herstellung verbraucht und muss ganzheitlich betrachtet werden

Solche Abwägungen betreffen auch die Auswahl von Technologien: So werden SSD-Speicher oft pauschal als nachhaltiger eingestuft als mechanische HDDs. Sie haben in der Regel eine höhere Lebensdauer von 10 anstatt 5 Jahren und einen geringeren Energieverbrauch. Ihre Produktion verursacht aber bis zu 8-mal mehr Emissionen [ACM]. Es ist zu erwarten, dass Hersteller bald offenlegen müssen, wie viel CO2 während der Herstellung und des Transports der Ausrüstung emittiert wurde. Das sollte die Beschaffungsentscheidung zukünftig erleichtern. In jedem Fall sollten Organisationen Optionen prüfen, aufbereitete Ausrüstung zu verwenden, beispielsweise von Hyperscalern, die ihre erstklassigen Server alle 2 bis 3 Jahre ersetzen. Auf gleiche Weise sollten sie versuchen, alter Ausrüstung ein zweites Leben zu geben. Sollte das nicht möglich sein, müssen Komponenten auf jeden Fall recycelt werden, um alle wertvollen Ressourcen für die Wiederverwendung zu extrahieren.

Die letzte Maßnahme ist die Optimierung der eigenen Rechenzentren beziehungsweise Cloud-Anbieter. Die Effizienz eines Rechenzentrums wird meist durch den PUE-Wert (Power Usage Effectiveness) bestimmt, welcher die insgesamt verbrauchte Energie ins Verhältnis zur Energieaufnahme der Infrastruktur setzt. Konventionelle Rechenzentren haben zum Teil einen PUE von 1,9, was bedeutet, dass fast die Hälfte der Gesamtenergieaufnahme nicht in Rechenoperationen, sondern beispielsweise in Kühlung oder Stromversorgung fließt. Durch effizientere Kühlsysteme (bspw. Wasserkühlung), optimierte Ausrüstung oder die Wahl eines Standorts mit geringem Kühlbedarf können Betreiber ihren PUE deutlich verbessern. Cloud-Hyperscaler kommen im Vergleich auf einen PUE von etwa 1,1 und sind damit deutlich effizienter.

Neben PUE ist auch die CO2-Intensität, das heißt, der Anteil nicht fossiler Energien am Strommix, von großer Bedeutung. Dieser variiert stark je nach Land, zum Beispiel hatte die Schweiz im Jahr 2023 8 g/kWh, Österreich 76 g/kWh und Deutschland 354 g/kWh [NOW]. Die großen Cloud-Hyperscaler versprechen, bis 2025 beziehungsweise bis 2030 CO2-neutral zu sein, indem sie neue Rechenzentren vor allem in Regionen mit niedriger CO2-Intensität betreiben. Eine sinnvolle Maßnahme zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks ist daher die Verlagerung von Prozessen in die Cloud beziehungsweise in weniger CO2-intensive Regionen.

Rolle der EA bei der Förderung von Nachhaltigkeitsinitiativen durch Technologie

Neben der IT-Domäne müssen Organisationen auch ihre Wertschöpfungskette nachhaltig transformieren. Digitale Technologien helfen dabei, die gesetzten Nachhaltigkeitsziele im Sinne einer grünen Digitalisierung zu erreichen. Hier ist die Expertise von Enterprise-Architekten als strategische Innovations- und Transformationspartner für die Fachbereiche essenziell. Durch ihr tiefes Verständnis von Geschäftsprozessen auf der einen und innovativen Technologien auf der anderen Seite können sie helfen, das Potenzial digitaler Nachhaltigkeitsinitiativen zu bewerten, diese zu priorisieren und mit den richtigen Technologien umzusetzen.

Viele Organisationen setzen in ihren Nachhaltigkeitsstrategien auf die Basistechnologien Künstliche Intelligenz (KI), Cloud, Data Analytics, Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) und Blockchain, um sie in der Praxis erfolgversprechend zu kombinieren. Durch den steten technologischen Fortschritt haben diese Technologien in den letzten Jahren den nötigen Reifegrad erreicht, um quer durch alle Industrien zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele beizutragen:

Künstliche Intelligenz

KI ermöglicht zum Beispiel in der Logistik intelligente Routen- und Frachtoptimierung und setzt dabei auf Echtzeitdaten und Vernetzung zwischen Fahrzeugen (z. B. Platooning), Frachten und Kontrollzentren. Die traditionell zeitversetzte Routen- und Frachtenoptimierung wird damit nun in Echtzeit und KI-gestützt durchgeführt. Der Nutzen ist vielfältig: Transparenz in Echtzeit, verlässliche Alarmmeldungen bei kritischen Events (z. B. Staus und Sperrungen) sowie intelligente Unterstützung von Disponenten durch KI-gestützte Methoden. Durch Einsparungen bei Kraftstoffverbrauch werden positive CO2-Effekte in Höhe von 4 bis 7 Prozent prognostiziert.

Cloud

Cloud und insbesondere Edge-Computing-Plattformen ermöglichen die Speicherung und Analyse großer Datenmengen, zum Beispiel Bewegungsdaten von IoT-Geräten und Daten digitaler Zwillinge. Cloud-Infrastruktur und -Services ermöglichen in Summe eine hohe Datenverfügbarkeit sowie Übertragungsgeschwindigkeit zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen (z. B. Produktionsplanung, Materialnachschub und Fertigung). Zudem kann die Leistung physischer Ressourcen mittels bereitgestellter Cloud-Analytics-Plattformen für zum Beispiel Ausfallvorhersagen im Sinne einer Predictive Maintenance optimiert werden und ermöglicht dadurch zum Beispiel eine effizientere und damit energieärmere Maschinennutzung. Damit können CO2-Einsparungen in Höhe von 3 bis 6 Prozent erzielt werden.

Data Analytics

Data Analytics in Verbindung mit dem Einsatz digitaler Zwillinge können beispielsweise im Life-Science-Bereich bei der Optimierung von Fertigungsprozessen helfen. Das Ergebnis ist ein industrieller Prozess, der 80-mal produktiver ist als eine herkömmliche Fabrik, wobei der Energieverbrauch im konkreten Beispiel um 80 Prozent, der Wasserverbrauch um 91 Prozent und der Einsatz von Chemikalien um 94 Prozent reduziert werden konnte.

Internet der Dinge

IoT-Technologien ermöglichen eine intelligente Fernüberwachung (insb. im Zusammenspiel mit Sensorik, Drohnen und Satellitenbildanalyse) in der Landwirtschaft und damit zum Beispiel eine effiziente Bewässerung und frühzeitige Erkennung von Schädlingsbefall bei gleichzeitig verringertem menschlichem Einsatz. Der umfassende Einsatz von IoT ermöglicht zudem intelligente Boden- und Ernteüberwachung, die den Zustand von Pflanzen und Ackerböden in Echtzeit aufzeigt und damit hilft, deren Gesundheit sicherzustellen sowie den Einsatz von Dünger, Pflanzenschutzmitteln und Kalk zu minimieren. Kombinierte positive CO2-Effekte in Höhe von 4 bis 7 Prozent durch Einsparungen von Wasser, Pestiziden und Dünger werden prognostiziert.

Blockchain

Die Blockchain-Technologie verkürzt signifikant Transaktionszeiten und senkt so Ressourcenverbräuche (insb. Mitarbeiterzeit), was laut Bitkom in Summe für Effizienzen in Transportketten führen kann. Konkret nutzt die Plattform IBM Food Trust Blockchain-Technologie, um lückenlose Verfolgbarkeit und damit ethische und sozial nachhaltige Herstellung sicherzustellen. Konkret werden damit Zeiten zur Rückverfolgbarkeit signifikant reduziert. Zum Beispiel konnte bei Walmart durch die Nutzung der Plattform die Zeit zur Ermittlung der Herkunft von Mangos in den USA von zuvor 7 Tagen auf 2,2 Sekunden reduziert werden [WAL]. Allerdings muss auch die Energieintensität der meisten öffentlichen Blockchain-Netzwerke (insb. auf Basis von Proof-of-Work, kurz PoW, z. B. bei Bitcoin) kritisch betrachtet und der Nutzen gegenüber den Kosten und dem CO2-Verbrauch gegenübergestellt werden. Dabei ist zu beachten, dass neuartige Blockchain-Netzwerke auf Basis von Proof-of-Stake (PoS) oder andere Technologien wesentlich energieärmer sind. Konkret hat Ethereum seinen Umstieg von der PoW-Technologie auf die PoS mit Energieeinsparungen in Höhe von 99 Prozent eingeschätzt [ETH] und die Plattform IBM Food Trust basiert auf der Technologie Hyperledger Fabric, welche auf Basis der genutzten Mechanismen (Permissioned Network, PBFT/Raft, Modularität) geschätzt nur einen Bruchteil der Energieintensität öffentlicher Blockchains aufweist.

Beim Einsatz von Technologien zur Erhöhung der Nachhaltigkeit können jedoch neue Zielkonflikte entstehen. Der Technologieeinsatz führt nicht nur zu oben herausgestellten Energieeinsparpotenzialen, sondern verbraucht sowohl im Betrieb als auch bei der Herstellung der erforderlichen Komponenten viel Energie. So wird zum Beispiel geschätzt, dass die Herstellung des Sprachmodells GPT-3 1.287 Megawattstunden Strom verbrauchte und 552 Tonnen CO2-Äquivalente erzeugte. Organisationen und ihren Enterprise-Architekten raten wir, vor dem Einsatz von Technologien zu Nachhaltigkeitszwecken eine ganzheitliche Kosten-Nutzen-Analyse durchzuführen, um bewerten zu können, welchen Nettoeffekt sie über ihre Lebensdauer haben.

Abb. 7: Moderne Technologien sind Enabler für Nachhaltige Lösungen

Fazit

Enterprise-Architekten spielen eine entscheidende Rolle bei der Konzeption und der Umsetzung der digitalen Nachhaltigkeitsagenda von Organisationen. Sie nutzen etablierte EA-Methoden wie Capability-Modelle, um ein ganzheitliches Zielbild zu entwickeln, priorisierte Handlungsfelder zu identifizieren und eine informierte Toolauswahl für das Nachhaltigkeitsmanagement zu unterstützen.

Des Weiteren sind Enterprise-Architekten ein wesentlicher Treiber für die nachhaltige Transformation der IT-Domäne. So reduzieren sie die Komplexität der Applikationslandschaft und etablieren ein nachhaltiges Datenmanagement, um das Volumen redundanter Daten zu verringern und den mit Replikation und Sicherung von wichtigen Daten verbundenen Energieverbrauch zu minimieren. Zudem optimieren sie durch geeignete Designprinzipien und Maßnahmen die Softwareentwicklung. Damit verbunden sind unter anderem die Umsetzung einer skalierbaren Architektur, die Auswahl effizienter Programmiersprachen und die Verringerung der Komplexität von Software. Und auf der Infrastrukturseite sorgen sie dafür, dass die verfügbare Hardware bestmöglich ausgelastet wird, definieren neue Nachhaltigkeitskriterien für den IT-Beschaffungsprozess und sorgen durch die Optimierung interner Rechenzentren und die Auswahl effizienter Cloud-Anbieter für einen geringeren Fußabdruck.

Als strategischer Innovations- und Transformationspartner unterstützen sie schließlich auch die Transformation der gesamten Wertschöpfungskette der Organisation durch den gezielten Einsatz moderner Technologien wie KI, digitaler Fabriken, IoT oder Blockchain. Damit helfen sie, Prozesse auch außerhalb der IT effizienter zu gestalten – aber auch Kosten zu senken und die betriebliche Resilienz zu verbessern.

Wir bedanken uns bei unseren Kollegen für die Unterstützung in der Erarbeitung und für das kritische Feedback: Christian Block, Christoph Cerny und Benjamin Zeller.

Weitere Informationen

[ACM] S. Tannu, P. J. Nair, The Dirty Secret of SSDs: Embodied Carbon, in: ACM SIGENERGY Energy Informatics Review, Oktober 2023, siehe:
arxiv.org/pdf/2207.10793

[ACN] Accenture, Uniting Technology and Sustainability, 2022, siehe:
www.accenture.com/content/dam/accenture/final/a-com-migration/pdf/pdf-177/accenture-tech-sustainability-uniting-sustainability-and-technology.pdf#zoom=40

[ETH] ethereum.org/en/energy-consumption/

[NOW] Real Time Electricity Production Emissions by Country, siehe:
www.nowtricity.com/

[TNT] thenewstack.io/which-programming-languages-use-the-least-electricity/

[WAL] pixelplex.ch/blog/walmart-strebt-fuer-lebensmittel-sicherheit-mittels-blockchain/

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Dimitri Bolev

Berater
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Dimitri Bolev ist Berater bei Accenture Technology Strategy and Advisory. Er ist auf die Entwicklung von zukunftsfähigen Betriebsmodellen und die Durchführung von großen Transformationsprojekten spezialisiert.

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Marco Klapper

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Marco Klapper ist Enterprise-Architekt in der Technology Strategy Practice von Accenture. Sein aktueller Fokus liegt auf der Entwicklung von Nachhaltigkeitskonzepten im Technologiebereich.

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André Schnittker ist Berater bei Accenture Technology Strategy and Advisory und unterstützt Kunden in Enterprise- Architektur- und Transformationsthemen. Er betrachtet das Thema Nachhaltigkeit aus der Perspektive der Datenarchitektur und entwickelt Lösungen, wie Technologie Fachbereiche bei deren Nachhaltigkeitstransformation helfen kann.

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Jan Thurein

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Jan Thurein treibt als Projektleiter leidenschaftlich die Etablierung von zielorientierten Zielbetriebsmodellen sowie zukunftsfähigen Unternehmensarchitekturen. Er hat mehr als 12 Jahren Erfahrung in der internationalen Unternehmens- und Technologieberatung in verschiedenen Branchen.


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