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Ohne Cloud nichts los: Das Konzept von Cloud-Computing

Seit der Begriff Cloud-Computing in den 90erJahren geprägt wurde und spätestens 2006 mit der Einführung von Amazon Web Services populär wurde, hat sich das Konzept der über das Netz bereitgestellten virtuellen Computer Ressourcen enorm weiterentwickelt. Es begann mit Compute as a Service, entwickelte sich weiter über Software und Storage as a Service und reicht heute bis hin zu (Development) Platform as a Service.

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Christoph Witte

Chefredakteur IT Spektrum und BI-Spektrum


  • 08.11.2023
  • Lesezeit: 10 Minuten
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Übersetzungsservices in Echtzeit für die vielgesprochenen Sprachen der Welt? Gibt es nur, weil es die Cloud gibt. Das gilt auch für die wie Pilze aus dem Boden schießenden neuen AI-Services. Automobilhersteller wie Tesla könnten ihre Software-Updates ohne Cloud nicht über Nacht verteilen. Netflix, Amazon Prime und alle anderen Streaming-Portale würden ohne Cloud nicht existieren oder wären so langsam, dass ein Gang in die inzwischen ausgestorbene Videothek schneller wäre. Viele Maschinenbauer, die heute Predictive Maintenance anbieten, könnten das ohne Cloud nicht bewerkstelligen. Oder die zahllosen Patches, die international tätige Unternehmen schnell verteilen müssen, wären ohne die verschiedenen Cloud-Zentren kaum zu distribuieren. Das sind nur einige Beispiele. Klar ist, dass viele neue Services für Endverbraucher und Firmenkunden, die in den letzten Jahren entstanden sind, ohne die Cloud entweder nicht existieren würden oder im Aufbau so teuer wären, dass sie heftig um ihre Rentabilität kämpfen müssten. Große Teile unseres nach wie vor steigenden Datenverkehrs werden über Cloud-Rechenzentren abgewickelt, dort analysiert und veredelt. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Ohne Cloud keine Digitalisierung, oder noch kürzer: Ohne Cloud nichts los.

Der technische Durchbruch gelang in den 90ern

Doch dass die Cloud einmal zum zentralen Motor der Digitalisierung würde, war ihr nicht in die Wiege gelegt. Die ersten Konzepte reichen den Experten zufolge zwar bis in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. Doch der technische Durchbruch gelang in den 90er-Jahren, als nicht zuletzt durch die Entwicklungsarbeit von IBM und Microsoft die sogenannten virtuellen Maschinen entstanden. Sie ermöglichten es, vereinfacht gesagt, auf einem physischen Rechner mehrere virtuelle Rechner zu betreiben, Hardware also effektiver einzusetzen und Softwareanwendungen besser zu verteilen.

Amazon war Vorreiter

Doch bevor man die Cloud als ausgelagerte, aber skalierbare Infrastruktur ernst zu nehmen begann, musste erst einmal Amazon ein Geschäftsmodell entwickeln, das es dem damals vor allem als Online-Buchanbieter tätigen Unternehmen erlaubte, seinen Partnern möglichst einfache IT-Services anzubieten. Allerdings behaupten viele Experten auch heute noch, dass die Ursprünge der Elastic Compute Cloud auf die IT-Überkapazitäten zurückzuführen sind, für die Amazon damals ein Vermarktungskonzept suchte. Wie erfolgreich das letztlich ist und war, lässt sich daran erkennen, dass die in den 2000er-Jahren entstandene Amazon-Tochter Amazon Web Services (AWS) heute nach wie vor der marktführende "Hyperscaler" vor Microsoft und Google ist.

Diese "Groß"-Provider bieten heute bei weitem nicht nur virtuelle Hardware an, sondern Hunderte von Services, die Rechner-, Speicher- oder Netzwerkinfrastruktur bereitstellen, Frameworks für Softwareentwicklungen offerieren, unzählige Einzelservices zur effektiveren Nutzung von IT-Kapazitäten vorhalten oder komplette Cloud-Betriebssysteme oder "einfach" komplette Softwareservices, die Unternehmen direkt nutzen können, ohne dass sie selbst Softwarelösungen, Applikationen und Infrastruktur dafür betreiben müssten. Die gängigen Marktbezeichnungen dafür sind Infrastructure as a Service, Software as a Service und Platform as a Service. Zu den Hyperscalern gesellen sich fast alle Softwareanbieter. Sie haben ihr Geschäftsmodell fast alle auf Cloud-Subskription umgestellt. Das heißt, sie vertreiben ihre Services heute in erster Linie im Abo-Modell. So haben sie sehr stark dazu beigetragen, dass die Cloud heute Mainstream ist und mit großem Abstand der größte Verteiler von digitalen Services.

Wie immer – das gilt vor allem für Deutschland – werden neue IT-Technologien oder neue IT-Konzepte von zum Teil regelrecht ideologisch anmutenden Grundsatzdiskussionen begleitet. Im Fall der Cloud waren es vor allem drei Gegenargumente, die die Cloud-Adaption in Deutschland, aber auch in anderen Ländern verlangsamte:

  • Die Cloud ist unsicher.
  • Die Cloud verstärkt die ohnehin schon große Abhängigkeit von bestimmten Anbietern (Vendor-Lock-in).
  • Die Cloud führt zum Kontrollverlust über die zentrale IT.

Grundsatzdiskussionen bremsten am Anfang

Diese Argumente waren vor knapp 18 Jahren durchaus stichhaltig. Am Anfang wies die Cloud erhebliche Sicherheitslücken auf, an deren Beseitigung die Anbieter allerdings hart gearbeitet haben. Heute gelten Cloud-Deployments als deutlich sicherer als die meisten On-Premises-Installationen. Das Vendor-Lock-in ist nach wie vor eine große Gefahr, bei der die Anbieter auch kein großes Interesse haben, sie zu verringern. Doch inzwischen gibt es hier auf Anwenderseite geeignete Strategiemaßnahmen, die die Abhängigkeit zumindest nicht größer werden lassen als von Softwareanbietern zum Beispiel im ERP-Umfeld. Das wichtigste Stichwort lautet hier: Multi-Cloud-Strategie. Mit Kontrollverlust über die zentrale IT meinten die Kritiker, dass gerade im Softwareas-a-Service-Umfeld jede Abteilung im Unternehmen Cloud-Services ohne Wissen und Kontrolle der zentralen IT und Unternehmensführung einkaufen konnte. Dieser befürchtete „Wildwuchs“, den die Bedenkenträger schon mit dem Aufkommen des PC und des Internets vorausgesagt hatten, fel allerdings sehr viel geringer aus als prognostiziert.

Zentrale IT verliert an Einfluss

Fakt ist allerdings auch, dass die zentrale IT immer häufiger nicht mehr allein darüber entscheidet, auf welche Technologie ein Unternehmen setzt. Das hat indes nur zum Teil mit der Cloud zu tun. Einen größeren Anteil an diesem Change haben die zunehmende Digitalisierung und die damit einhergehende grundsätzliche Veränderung im Verhältnis von Business und IT. Beides wirkt sich dann wieder auf die Cloud aus, aber dazu später mehr.

In Zeiten der Digitalisierung kann die IT nicht mehr als Dienstleister des Business agieren – eine Rolle, in der sie seit den 90er-Jahren gefangen war. Digitalisierung und digitale Transformation können nur gelingen, so die einhellige Meinung von Beratern, CEOs, CIOs und CDOs, wenn IT und Business auf Augenhöhe partnerschaftlich zusammenarbeiten. Das ist logisch, weil jedes digitale Produkt und jeder digitale Service IT braucht, um zu funktionieren. Auch große Teile des Kundenkontakts und der gesamten Customer Journey sind heute digital. Also müssen IT und Business-Seite ganz früh die Köpfe zusammenstecken, um gemeinsam die passendsten Produkte und Dienstleistungen für die Kunden des Unternehmens zu entwickeln, und ebenfalls gemeinsam überlegen, wie sie diese am besten an den Mann und die Frau bringen. Das bedeutet, dass Technologie zum Kernbereich der Unternehmensstrategie gehört. Das ist weithin akzeptiert. Ein Indiz dafür ist, dass in vielen Befragungen und Studien Topmanager Technologie ganz oben auf ihrer Prioritätenliste führen.

Business und IT auf Augenhöhe

Ob Koinzidenz oder folgerichtige Entwicklung, mag dahingestellt bleiben. Aber wichtig ist, dass erfolgreiche Digitalisierung ohne die enge und gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Business und IT, die Fortschritte im Cloud-Computing und die Entwicklung der Organisations- und Arbeitswelt in Richtung flache Hierarchien, Kollaboration und Agilität nicht realisierbar ist. Erst die Entwicklung dieser drei Hemisphären versetzt Unternehmen, Organisationen und Gesellschaften in die Lage, mit der Komplexität einer digitalisierten Welt mit ihren schnellen Veränderungen und den damit einhergehenden Anforderungswechseln umzugehen.

Deshalb ist die weitere Entwicklung und noch breitere Akzeptanz von Cloud-Computing auch nur schwer ohne weitere Fortschritte in der Arbeitsorganisation zu denken. Fast könnte man sagen, sie bedingen einander. Nur wenn Unternehmen und Organisationen es schaffen, die neuen Technologien und ihre immer schnelleren Fortschritte sinnvoll für sich einzusetzen, bleibt die Nachfrage nach diesen innovativen Technikservices groß, die dank der Cloud einer immer größeren Zahl von Anwenderunternehmen ohne schmerzhaft hohe Anlauf nvestitionen zur Verfügung stehen.

Prognosen mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit

Prognosen sind immer schwierig. Deshalb hier lediglich einige kommende Entwicklungen, die mit recht hoher Wahrscheinlichkeit eintreten werden:

  • Das Wachstum der Cloud-Investitionen bleibt in den kommenden Jahren erhalten oder wächst weiter an. Gartner geht davon aus, dass 2026 etwa 75 Prozent der Unternehmen über ein funktionierendes Transformationsmodell verfügen, das auf einer Cloud-Plattform basiert. Die weltweiten Investitionen in Cloud-Computing betrugen 2022 den Auguren zufolge 491 Milliarden Dollar. Sie werden bis 2024 auf 724,5 Milliarden Dollar und damit um fast 50 Prozent steigen.
  • KI- und Data-Analytics-Services aus der Cloud werden rasant zunehmen. Es ist erst ein knappes Jahr vergangen, seit Microsoft ChatGPT, die erste generative AI, auf den Markt gebracht hat. Laut einer Studie von McKinsey im Frühjahr 2023 nutzten zu diesem frühen Zeitpunkt bereits 39 Prozent der Nordamerikaner und 35 Prozent der Europäer Gen-AI entweder regelmäßig in der Arbeit oder privat. In der gleichen Studie gaben zwei Drittel der Befragten an, dass ihre Unternehmen die Investitionen über die kommenden drei Jahre hinweg erhöhen würden. Von den 1684 Teilnehmenden aus verschiedenen Weltregionen und Ländern gaben über 980 Befragte an, dass ihr Unternehmen AI bereits in mindestens einem Bereich nutzt.
  • Dank Cloud steigt die Adaptionsrate von technischen Innovationen. Für diese These gibt es keine belegbaren Zahlen. Betrachtet man jedoch die absolut rasante Adaption von Gen-AI-Services, das Wachstum verschiedener Internet-Services und das insgesamt starke Wachstum der großen Cloud-Provider, ist diese Prognose zumindest wahrscheinlich. Außerdem erleichtert die Cloud das Speichern von Big Data, was wiederum eine wichtige Voraussetzung für das Training Künstlicher Intelligenz ist.
  • Die IT-Landschaften der kommenden Jahre werden in erster Linie hybrid sein/bleiben. Die Wahrscheinlichkeit für diese These liegt bei 100 Prozent. Bis auf wenige Pure Players in der Start-up-Szene haben praktisch sämtliche Unternehmen eine On-Prem-Vergangenheit. Es gehen zwar immer mehr Workloads in die Cloud, aber es werden auch viele in den Rechenzentren der Anwenderunternehmen verbleiben, sei es, weil es sich nicht lohnt, weil es technisch nicht funktioniert oder weil es aus regulatorischen Gründen nicht statthaft ist.
  • Die Cloud-Hyperscaler werden ihre Dominanz behalten oder sogar weiter ausbauen. Die Umsatzsteigerungen der letzten Jahre von Microsoft, AWS und Co. belegen die Stichhaltigkeit dieser Annahme eindeutig. Weder die regulatorischen Anstrengungen zum Beispiel auf EU-Seite werden diese Dominanz brechen können, noch werden Bestrebungen, europäische Alternativen aufzubauen (Gaia-X), den Groß-Providern das Wasser abgraben können.
  • Die "richtige" Cloud-Nutzung entscheidet über Erfolg oder Misserfolg der Digitalisierung. Wenn Unternehmen ihre Digitalisierung erfolgreich gestalten wollen, müssen sie nicht nur auf moderne digitale Technologien setzen, sondern auch ihre Organisation, ihre Prozesse und die Skills ihrer Mitarbeitenden anpassen.

You dream it, you have it

"You dream it, you have it" – dieser Satz ist in Bezug auf Technologie heute fast wahr. In jedem Fall agieren Unternehmen IT-technisch heute in einer sehr stark angebotsgetriebenen Welt. Für sie ist es fast schwieriger, ihre Prozesse, Arbeitsweisen, Geschäftsmodelle und Skill-Anforderungen so anzupassen, dass sie die Technologien sinnvoll einsetzen können. Das bestätigt die große Mehrheit der Business- und Technologieverantwortlichen. Ihren Aussagen zufolge ist nicht die Technologie der limitierende Faktor, sondern die Fähigkeit der Unternehmen, ihre Leute "mitzunehmen". Das kann auch die fortschrittlichste Cloud den Verantwortlichen nicht abnehmen – vieles andere inzwischen schon.

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Christoph Witte

Chefredakteur IT Spektrum und BI-Spektrum
Zu Inhalten

Christoph Witte ist Gründer der Wittcomm Agentur für IT, Publishing und Kommunikation. Darüber hinaus ist er Chefredakteur von IT Spektrum sowie BI-Spektrum und wirkt zudem bei dem Magazin JavaSPEKTRUM mit.


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