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Über Sinn und Unsinn von Cloud-Zertifikaten am Beispiel AWS

Die Cloud und ihre Dienste wachsen immer mehr. Da ist es gar nicht so einfach, mit seinem Wissen auf dem Laufenden zu bleiben. Am Beispiel der AWS-Zertifizierungen wollen wir den Sinn und Zweck von Zertifikaten bei dem unfallfreien Weg in die Cloud diskutieren.
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Frank Pientka

Principal Software Architect


  • 23.09.2022
  • Lesezeit: 12 Minuten
  • 109 Views

Am Anfang war Cloud einfach

Seit Amazon seine Rechenzentren als eigenständige Cloud-Dienste 2006 („Internet OS”-Vision genannt) angeboten hat, ist einiges passiert. Viele Firmen fahren inzwischen eine reine Cloud-First- und Cloud-All-Strategie. Das bedeutet nicht nur weiter wachsende Umsätze für die Cloud-Anbieter, sondern auch deren Dienste haben sich stark weiterentwickelt. Was einmal mit den zwei Diensten Amazon S3 cloud storage und der Virtualisierungslösung EC2 gestartet ist, ist inzwischen auf über 200 Dienste [AWSHIST] angewachsen.

Doch auch die Dienste und deren Verwendung haben sich stark weiter entwickelt. So bestand S3 anfangs aus 8 Microservices und stellt nun über 300 zu Verfügung. Obwohl die Dienste nach einem einheitlichen Vorgehen entwickelt und dokumentiert werden, haben sich trotzdem unnötige Überlappungen und Inkonsistenzen eingeschlichen. Das hat auch AWS erkannt und möchte deswegen eine einheitliche Cloud Control API [CCAPI] einführen, um das Arbeiten mit den Diensten zu vereinfachen.

Cloud-Führerscheine

Trotzdem bleibt es schwierig, dass AWS-Wissen objektiv zu beurteilen und für die verschiedenen Nutzerkreise Weiterbildungswege in die Cloud zu finden. Anfangs eher für die Partnerzertifizierung wichtig, wurden Zertifizierungen geschaffen. Doch inzwischen werden diese von internen Cloud-Center-of-Excellence (CCoE)-Abteilungen für die interne strukturierte Weiterbildung und zur Auswahl von externen Dienstleistern genutzt. Beispielhaft anhand der AWS-Zertifizierung wollen wir den Sinn und Unsinn von Cloud-Zertifikate anschauen. Vieles davon lässt sich auch auf andere Cloud-Anbieter übertragen. Wer sich einen aktuellen Blick über die vorhandenen AWS-Zertifikate und die dafür vorgesehenen Lernangebote machen möchte, beginnt am besten an der Quelle bei AWS [AWSCERT]. Abbildung 1 gibt eine Übersicht.

Abb. 1: Verfügbare AWS-Zertifizierungen

Je nach Vorerfahrung, Wissen und angestrebter Rolle gibt es vier Stufen [AWSSTEPS]. Für jede Stufe sind dort [AWSCERT] die aktuellen Prüfungsvoraussetzung mit weiterführenden Informationen beschrieben. Das Prüfungsverfahren ist mit einem Prüfungsleitfaden beschrieben und wird mit Beispielfragen zum Herunterladen erläutert. Die Prüfungen und die Lernmaterialien sind in mehreren Sprachen verfügbar, wobei es einfacher ist, alles gleich in Englisch zu machen, da man die umfangreichen und aktuellen Informationen nur in Englisch finden kann. Viele Kurse werden kostenlos von AWS Training zentral im AWS Skill Builder [AWSSKILL] angeboten.

Wer sich bei dem großen Angebot verloren fühlt, steigt am besten mit einem spezifischen Lernpfad ein, bei dem die Themen in einer sinnvollen Reihenfolge in einzelnen Kursen behandelt werden. Eine andere Möglichkeit bieten die themen- und rollenspezifischen kurzen Ramp-up-Guides [AWSRAMP]. Diese erleichtern besonders bei den weiterführenden Zertifizierungen die systematische Lernplanung (s. Abb. 2).

Abb. 2: Mit den Ramp-up-Führern kommen wir schnell zum Lernziel

Ergänzend lohnt sich auch, die Blogs und Dokumentationen zu den einzelnen Themen zu lesen. So gibt es einen eigenen Zertifizierungs-Blog [AWSCERTBLOG], in dem Tipps und Informationen zu Änderungen bei der Zertifizierung, Gültigkeitsfristen und Prüfungsänderungen gegeben werden. Zum Einstieg sollte man den Prüfungsleitfaden durchgelesen haben, um zu wissen, welche Gebiete mit welcher Gewichtung vorkommen. Als Nächstes sollte man sich mit dem allgemeinen Ablauf der Prüfungsvorbereitung (AWS Certification: Exam Readiness) oder dem spezifischen Ablauf für die jeweilige Prüfung per Video bekannt machen und seine weitere Vorbereitung planen. Dazu später mehr.

Bei der ersten Stufe, dem AWS Certified Cloud Practitioner, geht es um die Vermittlung von Grundlagenwissen zur AWS Cloud. Dabei lernen Sie die AWS-Kerndienste, deren typische Anwendungsfälle, Sicherheitskonzepte, Rechnungs- und Preismodelle kennen. Diese Prüfung spielt eher für Vertriebler, Projektleiter und technisch interessierte Manager eine Rolle als für die Praxis oder den Partnerstatus. Deswegen kann man diese nach dem Anschauen der dazu gehörigen Videos nach wenigen Stunden in einer 90-minütigen Prüfung zu 65 Fragen mit Multiplechoice oder mehreren Antworten gut bestehen. Dass die fortgeschritteneren Prüfungen anspruchsvoller sind, zeigt sich auch an der mit 180 Minuten verdoppelten Prüfungsdauer und den umfangreicheren Fragen, die viel mehr Erfahrungs- und Hintergrundwissen voraussetzen.

Interessanter sind die rollenabhängigen Associate-Zertifizierungen. Diese gibt es seit 2013 für Developer, SysOps Administrator und Solutions Architect 2013 und wird für Leute mit mindestens einem Jahr Erfahrung in Entwicklung oder Betrieb mit der AWS Cloud empfohlen. Auch bei diesen Prüfungen gibt es eine große Überschneidung der Themen und Fragen, sodass es viele Prüflinge gibt, die diese oft kurz hintereinander ablegen. Dabei ist je nach Vorwissen der Developer etwas leichter als der SysOps Administrator und der Solutions Architect. Um die nächsthöhere Zertifizierungsstufe zu erreichen, muss man sich zwischen der Professional- und der Spezialisten-Stufe entscheiden. Beide haben zwar dieselbe Prüfungsdauer, jedoch haben die Professional-Prüfungen mit 75 Fragen 10 mehr als die Spezialisten-Prüfungen.

Für die Professional-Zertifizierung wird mindestens zwei Jahren Erfahrung in Entwicklung oder Betrieb mit der AWS Cloud empfohlen. Die Professional-Zertifizierung kann entweder als Solutions Architect seit 2015 oder als DevOps Engineer seit 2019 abgeschlossen werden. Bei der Spezialisten-Zertifizierung sind sogar fünf Jahre Erfahrung Voraussetzung, wobei nicht klar ist, wie viele davon in welchem Themengebiet benötigt werden. Man geht vielmehr davon aus, dass in diesem langen Zeitraum eh alle Gebiete in der nötigen Tiefe bearbeitet wurden.

Die Spezialisten-Zertifizierung gibt es aktuell in fünf Geschmacksrichtungen, Tendenz wachsend. Die älteste Spezialisten-Prüfung ist im Bereich Sicherheit und die neueste im Bereich Advanced Networking (hiervon existiert aktuell nur eine Beta-Prüfung und soll ab Juli 2022 offiziell verfügbar sein). Drei Spezialisten-Prüfungen drehen sich um Datenverarbeitung und bauen zum Teil aufeinander auf mit Database, Data Analytics und Machine Learning. Etwas aus dem Rahmen fällt die bisher wenig verbreitete Prüfung SAP on AWS.

Bisher haben die AWS-Zertifizierungen eine Gültigkeitsdauer von 3 Jahren. Hier kann es sinnvoll sein, rechtzeitig eine höherwertige Professional-Prüfung abzulegen, um zum Beispiel seine jeweilige sonst ablaufende Associate-Prüfung damit automatisch zu verlängern. Es kann aber auch sinnvoll sein, durch eine spätere Spezialisten-Prüfung sein Wissen auf einem Gebiet zu vertiefen, statt noch mehr in die Breite zu gehen.

Der Weg zur AWS-Zertifizierung – Prüfungsvorbereitung und -durchführung

Wenn man sich für eine Zertifizierung entschieden hat, ist es sinnvoll, sich einen konkreten Zeitplan zu geben. Am besten meldet man sich zur Prüfung mit ausreichend Puffer gleich am Anfang der Lernphase an und macht wöchentliche oder besser täglich feste Lernzeiten fest. Da ein AWS-Konto eine Voraussetzung für die Prüfung, aber auch für die Übungen ist, legt man am besten ein neues AWS Free Tier-Konto an. Dieses ist für über 100 Produkte bis zu bestimmten Grenzen ein Jahr kostenlos und reicht für die einfachen Dienste aus, um diese auch mal auszuprobieren. Auf der Seite QwikLabs (https://www.qwiklabs.com) gibt es die Möglichkeit, eigene Hands-on-Erfahrungen mit den AWS-Diensten zu sammeln, ohne seinen eigenen Account zu belasten, da die jeweiligen Lernumgebungen automatisch wieder abgeräumt werden.

Diese Art von Sandbox-Umgebung mit Tutorials werden auch von einigen Online-Anbietern (Cloud Guru, CloudAcademy, Whizlabs) als Teil ihrer Kurse angeboten. Praktische Arbeitsübungen, um mehr Praxis mit AWS-Diensten zu bekommen, kann ein Workshop unter [AWSWORK] bieten, den man selbstständig durchführt. Diese Übungen werden in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen angeboten und nennen auch die dabei verwendeten Dienste. Die ersten beiden Stufen lassen sich eventuell ohne praktische Übungen mit jedem behandelten Dienst bestehen, die höheren beiden Stufen für Professional und Spezialisierung setzen jedoch praktische Erfahrungen mit größeren Anwendungsszenarien voraus.

Am einfachsten beginnt man mit einem Online-Überblickkurs zu den fundamentalen Diensten oder zu der jeweiligen Zertifizierung. Je nach Lerntyp gibt es für die meisten Prüfungen auch Bücher, die die relevanten Themen noch mal behandeln und mit weiterführenden Informationen vertiefen. Man sollte vor der Prüfung auf jeden Fall eine Testprüfung bei AWS (mit reduzierter Fragenanzahl und Score zu den Testgebieten) oder Testübungsprüfungen bei Whizlabs, Cloud Guru, Udemy oder tutorialsdojo durchführen. Letztere haben den Vorteil, dass man diese Prüfungen beliebig oft und in verschiedenen Modi (Zeitbegrenzt, mit und ohne Erläuterungen) durchführen kann. Die Auswertungen helfen auch, die Wissenslücken zu stopfen. Deswegen sollte man die Links in den Erläuterungen auf jeden Fall lesen und auch einen tieferen Blick in die jeweiligen Whitepaper oder Produktdokumente werfen. Wer in kompakter Form etwas zu den einzelnen Diensten nachlesen möchte, kann die kostenlosen und ständig aktualisierten AWS-Spickzettel von Tutorials Dojo [TUT-DOJO] verwenden. Diese enthalten gute Gegenüberstellungen ähnlicher Dienste und manchmal auch Beispielaufgaben mit Lösungen. Wie man lernt und in welcher Reihenfolge man die Zertifizierungen angeht, ist eine persönliche Zeit-, Geld- und Wissensfrage. Cloud Guru empfiehlt den in Abbildung 3 gezeigten AWS-Zertifizierungspfad. Spezielle Prüfungsfragentrainings helfen, die nötige Tiefe und ein Gespür für die Art der Fragen zu bekommen, was einem mehr Sicherheit bei kniffligen Fragen gibt. Je nach Vorwissen und Interesse sollte man für eine Cloud-Praktiker-Zertifizierung wenige Stunden, eine Associate-Zertifizierung einige Wochen und für eine Professional- oder Spezialisten-Zertifizierung mehrere Monate an Zeit einplanen, wenn man das neben seiner normalen Arbeit beim ersten Mal bestehen möchte. Ist die Zeit für die ersten Zertifizierungsstufen meist kein Problem, so wird für die höheren Zertifizierungsstufen schon mehr Zeit benötigt. Wer wissen möchte, nach welchen Prinzipien AWS-Zertifizierungsfragen aufgebaut sind, kann den kostenlosen Kurs „AWS Certification Subject Matter Expert (SME) Item Writing“ besuchen. Dieser ist auch Voraussetzung für die Bewerbung für die Mitarbeit an neuen Zertifizierungsfragen als Subject Matter Expert.

Abb. 3: Cloud Gurus AWS-Zertifizierungspfad-Empfehlungen [CGURU]

Die Prüfung selbst kann inzwischen online von zu Hause durchgeführt werden, sodass man diese gut in seinen Projektalltag integrieren kann.

Welchen Wert hat eine Cloud-Zertifizierung?

Eine Cloud-Zertifizierung allein macht noch keinen Experten. Deswegen ist es wichtig vor, während und vor allem nach der Prüfung ausreichend Praxiserfahrung zu sammeln, um sich weitere Informationsquellen zu erschließen und auf dem Laufenden zu bleiben. Jenseits des eigenen Cloud-Projekts kann man von den Best-Practices-Erfahrungen und Empfehlungen von Amazon lernen. Mit einem geprüften Cloud-Wissen ist es einfacher, sich in Spezialgebiete oder in die Dienste anderer Cloud-Anbieter einzuarbeiten. Da die Prüfungen immer wieder überarbeitet und um neue Arten ergänzt werden, gilt oft: Nach der Prüfung ist vor der nächsten Prüfung. Eine Cloud-Zertifizierung ist eine Investition an Zeit und Geld, die sich persönlich lohnt. Bisher hat aktuelles Wissen gepaart mit Erfahrung immer noch die beste Rendite erzielt. Letztendlich steigert man mit einer höheren Zertifizierung nicht nur sein Wissen, sondern auch seinen Marktwert. Gerade erfahrene Cloud-Experten sind immer noch eine stark gesuchte Spezies.

Fazit

Zertifizierungen sind für den Partnerstatus, Ausschreibungen und Jobangebote immer wichtiger, um das Wissen objektiv einschätzen zu können. Bei der Reise in die Cloud sollten Sie nicht im Regen stehen bleiben, sondern die wachsenden Chancen und Möglichkeiten der Zertifizierungen nutzen. Zertifikate bieten einen verlässlichen und guten Pfad zur Orientierung und Weiterentwicklung seines Wissens und das der Kollegen im Unternehmen. Deswegen sollten Sie diesen Pfad regelmäßig aufsuchen und um praktische Erfahrungen ergänzen, um sich mit der Cloud weiterzuentwickeln. Viel Erfolg bei Ihrem nächsten Cloud-Führerschein.

Weitere Informationen

[AWSCERT] AWS-Zertifizierungen,
https://aws.amazon.com/de/certification

[AWSCERTBLOG] Blog zu AWS-Training und -Zertifizierungen,
https://aws.amazon.com/de/blogs/training-and-certification

[AWSHIST] History of Amazon Web Services (AWS),
https://www.awsgeek.com/AWS-History und https://en.wikipedia.org/wiki/Timeline_of_Amazon_Web_Services

[AWSRAMP] AWS Ramp-up-Guides,
https://aws.amazon.com/training/ramp-up-guides

[AWSSKILL] AWS Skill Builder,
https://explore.skillbuilder.aws

[AWSSTEPS] Steps to start your AWS Certification journey,
https://aws.amazon.com/de/blogs/training-and-certification/steps-to-start-your-aws-certification-journey/

[AWSWORK] Praktische Arbeitsübungen zu den AWS Diensten mit unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen,
https://workshops.aws

[CCAPI] Cloud Control API,
https://aws.amazon.com/blogs/aws/announcing-aws-cloud-control-api

[CGURU] Cloud Guru’s AWS Certification Guide PDF,
https://acloudguru.com

[TUTDOJO] AWS cheat sheets von Tutorials Dojo,
https://tutorialsdojo.com/aws-cheat-sheets

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Frank Pientka

Principal Software Architect
Zu Inhalten

Frank Pientka arbeitet als Principal Software Architect bei der T-Systems GmbH. Dort sorgt er für mehr Qualität in der Software und kümmert sich als Gründungsmitglied des iSAQB um eine verbesserte Ausbildung und Zertifizierung von Architekten. Seit mehr als drei Jahrzehnten unterstützt er Firmen bei der Umsetzung effizienter und innovativer Software.


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