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Warum „Mach doch einfach“ oft so schwer ist

Erinnern Sie sich noch an meine Gedanken zum „Wollen wollen“? Es ging darum, eine Haltung und einen Kontext für Neues zu etablieren – zum Beispiel Agilität. Und dass es für die Entwicklung dieser Kultur Zeit und Geduld braucht. Im Nachgang dazu kam immer wieder die Frage, warum manchen Veränderung so gut gelingt – und sich andere so schwer damit tun.
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Richard Seidl

Berater, Coach und Autor


  • 27.08.2021
  • Lesezeit: 4 Minuten
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Um es konkret zu machen, stellen wir uns drei Unternehmen vor. Der Chef kommt euphorisch von der Konferenz und sagt: „Dev-Ops löst alle unsere Probleme. Setzt das um.“ Die Teams der drei Unternehmen finden das auch gut und starten. Team A läuft los, probiert und bringt nach einer Woche erste Ergebnisse. Team B setzt sich ran, arbeitet sich durch, hat immer wieder Rückschläge. Aber nach einem halben Jahr ist auch hier DevOps etabliert. Team C bricht nach einem Jahr Meetings, Verantwortungsgerangel und Frust das Vorhaben ab. Sapperlot, wie konnte das passieren? Natürlich gibt es da nicht die eine Ursache – und glauben Sie bitte keinem, der was anderes sagt. Auch mir nicht. Aber ich möchte heute gerne eine weitere Perspektive dazu aufmachen – eine biologisch-philosophische. Die auch ein bisschen richtig ist, so wie die anderen.

Das Hirn

Machen wir mal ein Modell unserer Datenverarbeitung auf: Ein Datenstrom mit einer unfassbaren Menge an Sinneseindrücken strömt ständig auf uns ein – Bilder, Töne, Gerüche usw. Unser bewusstes Denken hat aber bei Weitem nicht die Kapazität, das zu verarbeiten (versuchen Sie mal einen 4k-Film auf einem 386er zu decodieren – das wird nix). Gut, dass wir davor noch einen Filter haben, der unbewusst arbeitet. Der schaut bei jedem Bit und Byte unheimlich schnell nach:

  • Ist das was Neues oder was Bekanntes?
  • Ist das wichtig oder unwichtig

Vieles wird dann verworfen oder automatisch verarbeitet. Kommt das Unbewusste aber zur Einschätzung: Es ist neu, es ist wichtig, aber ich kann nix damit anfangen und wir müssen uns damit beschäftigen – dann wird der Task an den bewussten Geist übergeben. Kümmer du dich drum. Die Sondierung dauert ca. 300 ms, geht also recht flott. Das Unbewusste ist subjektiv und sehr schlau – es lernt ständig mit. Immer. Ohne Unterbrechung. Im Sandkasten, auf der Schulbank, beim ersten Kuss, der ersten Trennung, im Job, zu Hause und im Urlaub – jede Erfahrung fließt in das System ein und bestimmt die nächsten Filter-Runden mit. Das hat sich bewährt. Denn wir stammen eindeutig von denen ab, deren Unbewusstes beim Anblick eines Säbelzahntigers entschieden hat: Kenn ich, renn! Und nicht von denen, die erst darüber nachgedacht haben, wie alt der Tiger wohl ist und wie schön sein Fell ist.

Der fast freie Wille

Zwar können wir im Bewussten ganz frei und groß entscheiden, was wir tun, wie wir uns verhalten. Aber eben auch nur in dem Rahmen, den uns das Unbewusste durch Filterei und Wahrnehmung zulässt. Es bastelt das ganze Leben lang an unserer ganz individuellen Realität – und in dieser können wir uns frei bewegen und unser Handeln bewusst steuern. Arthur Schopenhauer hat dazu den treffenden Satz geprägt: „Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.“

Und wenn wir also an unserem Wollen wollen arbeiten „wollen“, dann geht das über das Unbewusste – und das heißt: Erfahrungen machen, Erfahrungen machen, Erfahrungen machen. Wenn ich nun mein Leben lang unbewusst gelernt habe, dass Veränderung supertoll ist, fällt mir die Umsetzung ins Tun leicht. Wenn ich Stabilität als Erfolg sehe, umso schwerer.

Gruppenbildung

Und unsere drei Teams? Nun, gleich und gleich gesellt sich gerne – auch unbewusst. Wir rotten uns mit denen zusammen, die so ticken wie wir (auch das hat sich zur Säbelzahnzeit schon bewährt). Vielleicht verbindet uns die Vision – oder der sichere Arbeitsplatz. Die Neugier zur Technik oder auf Menschen. Das System findet sich. In einem traditionellen Unternehmen, wo jahrzehntelang das gleiche gemacht wurde, wird ein „Ab jetzt DevOps“ nicht frenetische Chöre hervorbringen. Auch wenn man es gemeinsam tun will. Unternehmen, die seit jeher Selbstorganisation groß schreiben, ziehen auch selbstorganisierte Menschen an. Der Rahmen fürs Entscheiden zum Tun ist ähnlich und DevOps oder Agilität schneller umgesetzt.

Also mit purem Tun wollen ist Veränderung nicht getan. Wir stehen heute da, wo wir stehen, als Summe unserer Vergangenheit. Jeder für sich und im Zusammenschluss als Team oder Unternehmen.

Was denken Sie dazu? Ich freue mich auf Ihr Feedback, Ihre Fragen und Gedanken: https://seidl.to/osk

Ihr Richard Seidl

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Richard Seidl

Berater, Coach und Autor
Zu Inhalten

Richard Seidl ist Berater, Coach und Autor. Er hat in seiner beruflichen Laufbahn schon viel Software gesehen: gute und schlechte, große und kleine, neue und alte. Software so schön, dass man weinen könnte, und auch solche, wo es Fußnägel aufrollt. Für ihn ist klar: Wer heute exzellente Software kreieren möchte, denkt den Entwicklungsprozess ganzheitlich: Menschen, Kontext, Methoden und Tools.


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