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Wie IT-Talente innovativ lernen

Die Düsseldorfer Firma rising systems hat sich ein Motto gegeben: "Lebe den Wandel und verbessere ständig." Nicht nur Auszubildende und Studierende bilden sich kontinuierlich weiter, sondern alle Mitarbeitenden sind hier gefragt. Der Softwareanbieter bietet dazu verschiedene Methoden, die die agilen Prozesse unterstützen sollen. Ein Erfahrungsbericht.

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Astrid Schau

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  • 01.07.2024
  • Lesezeit: 9 Minuten
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Hauke Hasche ist ein typisches Eigengewächs von rising systems. Bevor er 2009 beim Unternehmen eine Ausbildung zum Fachinformatiker begann, studierte er Technik und Geografie auf Lehramt. Heute ist er für die Auszubildenden verantwortlich. "Da wir durchweg agil arbeiten, integrieren wir alle neuen Kolleginnen und Kollegen von Anfang an in ein Team, auch die Auszubildenden", berichtet Hasche. Sie werden früh in Kundenprojekte einbezogen und übernehmen einfache Aufgaben, etwa Funktionen und Arbeitspakete zu testen.

Für Geschäftsführer Sebastian Witzmann lohnt sich die Investition in den Nachwuchs nur, wenn es gelingt, Mitarbeitende fit für Projekte zu machen und langfristig ans Unternehmen zu binden. Dabei sieht er die IHK-Ausbildung zunehmend kritisch: "Sie bildet die Bedürfnisse nicht mehr ab." Jay Cross, Experte für digitales Lernen, spitzte das grundsätzliche Problem zu: "Am Arbeitsplatz wird Teamarbeit geschätzt, in der Schule wird das Lernen mit anderen als Betrug bezeichnet." [Bow21, Seite vii]

Das stellt auch rising systems vor praktische Herausforderungen. Für ihre Abschlussarbeit müssen die Absolventen ein reales Kundenprojekt dokumentieren – von der Planung und Aufwandsschätzung über Lasten- und Pflichtenheft bis zur Abrechnung. „Beim Pflichtenheft fängt es schon an, da wir nicht nach dem Wasserfallmodell arbeiten. Noch schwerer wiegt, dass wir alle Aufgaben in Teams lösen. Es fällt uns schwer, die genau abgegrenzte selbstständige Leistung des Azubis herauszuarbeiten“, so Hasche.

Nicht alle kommen mit dem Spagat zwischen Scrum Sprints und Frontalunterricht zurecht. Bei rising systems haben Mitarbeitende ihre Ausbildung auch schon abgebrochen. Andere kamen hinzu. Dennis Irrländer ist beispielsweise seit April 2023 dabei. Er war zuvor Datenanalyst bei Stepstone und hat sich das Programmieren und Entwickeln selbst beigebracht. "Eines Abends recherchierte ich nach Unternehmen in der Region. Ich wollte herausfinden, was ich lernen muss, um mich in zwei bis drei Jahren als Softwareentwickler bewerben zu können", erzählt er. "rising systems bot mir an zu zeigen, was ich kann, und selbst herauszufinden, ob mir die Arbeit liegt."

"Es ist nicht unmöglich, sich selbst zu entwickeln und weiterzubilden", so Irrländers Erfahrung. "Kommunikation ist in der Weiterbildung zu IT-Themen sehr wichtig." Er profitierte vom projektbezogenen Austausch, aber auch von Workshops seines Arbeitgebers, etwa zu verschiedenen Programmiersprachen. Selbst Grundlagenkurse sollen bei den Düsseldorfern nie im klassischen Sinne belehrend sein. Als Fan der Bestsellerautorin Sharon L. Bowman ist Witzmann, der an der Hochschule Fresenius außerdem Informatik und Digitalisierung lehrt, der Meinung, dass Lernen dann am besten funktioniere, wenn sich der Dozent so weit wie möglich zurücknimmt und die Lernenden sich Inhalte selbst erarbeiten lässt.

Von Bibliotheken im Wohnzimmer

Ob in der Hochschule oder im Unternehmen – der Geschäftsführer legt Wert auf ein Umfeld, in dem sich alle weiterentwickeln können. Dazu dienen eine Reihe von Methoden, aber auch eine gute Ausstattung. Im „Wohnzimmer“ des direkt am Benrather Schloss gelegenen Unternehmenssitzes haben die Softwareentwickler eine Bibliothek mit Fachbüchern eingerichtet, aus der sich einer von ihnen, der bereits erwähnte Dennis Irrländer, gerne bedient. So kann er seine Programmierkenntnisse theoretisch vertiefen, wie er es gerade braucht. Er profitiert des Weiteren vom agilen Ansatz des Pair Programming. Dabei bilden Teams Zweierpaare und lösen gemeinsam eine Aufgabe: In wechselnden Rollen wird so die Programmierung überwacht und angepasst. So entsteht bessere Software, und die Partner lernen voneinander.

Sein Kollege Calvin Wiegandt hat bereits seine Ausbildung bei rising systems absolviert und studiert mittlerweile Mensch-Technik-Interaktion an der Hochschule Ruhr West (HRW). Während seiner Berufstätigkeit kristallisierte sich heraus, dass die Kombination aus Design, Informatik und Psychologie genau das Richtige für ihn ist. Aus der Arbeitswelt bringt er viel Methoden-Know-how für die Projekte an der Universität mit. Gerne spielt er mit seinem dreiköpfigen Team Planning Poker. Die Methode zielt darauf ab, den Aufwand einer Aufgabe zu schätzen und ein gemeinsames Verständnis zu gewinnen. Das Spiel besteht aus speziellen Pokerkarten mit Punktwerten nach dem Fibonacci-Prinzip: Eine höhere Karte enthält die Summe der beiden unteren Karten, also folgt beispielsweise auf zwei und drei die Fünf. Planning Poker kann sowohl physisch als auch online gespielt werden.

Ein Projektbeteiligter stellt die zu lösende Aufgabe in Form von Arbeitspaketen, den sogenannten User-Storys, vor. Alle Teammitglieder sind anschließend aufgefordert, den einzelnen Paketen verdeckt Punkte zuzuordnen – je komplexer die Aufgabe, desto höher die Zahl. Spannend wird es, wenn die Spieler gleichzeitig ihre Karten aufdecken. Liegen die Schätzwerte nahe beieinander, wird dem Arbeitspaket der höchste vergebene Wert zugeordnet. Ist das nicht der Fall, diskutieren die Beteiligten den zu erwartenden Aufwand und schätzen erneut. Werden sie sich auch nach mehreren Durchläufen nicht einig, ist es ratsam, sich zu vertagen, da anscheinend wichtige Informationen zu der Aufgabe fehlen. Wiegandt: "Das hilft uns, eine Vorstellung für die nächsten Schritte zu gewinnen und Zeitaufwand sowie die benötigten Ressourcen genau einzuschätzen."

Seine zwei festen Projektpartner in der Hochschule hat er mit seiner Begeisterung fürs agile Arbeiten angesteckt. Für Meetings setzen sie Zeitfenster (das sogenannte Time Boxing). Wiegandt: "Wir alle müssen Studium und Arbeit unter einen Hut bringen. Wenn wir mit der Projektzeit diszipliniert umgehen, gewinnen wir Freiheit für andere Dinge. Außerdem hilft Time Boxing, Zeitaufwände besser einzuschätzen. Das brauchen wir im Beruf." Gemessen am Ergebnis, war die Zeit für das Projekt „Wheel Share“ richtig eingesetzt: Mit dem Video zu einer Anwendung für Rollstuhlfahrer und gehbehinderte Menschen gewann das Team die UX Challenge 2023.

Bei rising systems ist viel von "Purpose" die Rede: Solange alle ein gemeinsames Ziel vor Augen haben und dieses nicht aus dem Blick verlieren, ist alles erlaubt. Die Meinung aller zählt, und alle – auch Chefs und Vorgesetzte – nehmen sich die Zeit, Entscheidungen auf Nachfrage zu begründen. Wiegandt: "Als Einstieg in die Arbeitswelt ist so eine Unternehmenskultur unschlagbar, weil wir sinnvoll und produktiv miteinander interagieren." Damit Kritik auf der Sachebene bleibt und nicht zum persönlichen Schlagabtausch wird, werden in Meetings häufig sogenannte Facilitators eingesetzt, die der Gruppe helfen, sich lösungsorientiert auseinanderzusetzen. Alle sollten diese Rolle einnehmen können. Sie ist nicht an eine bestimmte Funktion gekoppelt. Die Aufgabe besteht weniger im Moderieren von Meetings als vielmehr darin, für eine gute Atmosphäre zu sorgen. Facilitators stellen sicher, dass alle gehört werden und sich in der Gruppe wohl genug fühlen, um sich an der Diskussion zu beteiligen. Indem unterschwellig wirkende negative Stimmungen idealerweise aufgelöst werden, entsteht eine konstruktive Arbeitsatmosphäre, in der die Beteiligten zielorientiert auf der Sachebene argumentieren.

Lego Serious Play: Denken mit den Händen

Facilitators können auf eine Vielzahl von Methoden zurückgreifen. Gerne nutzen sie das Lego Serious Play, um den Austausch zu fördern. Dazu stellen sie Fragen wie: "Woran erkennen wir, dass das neue Produkt erfolgreich ist?" Oder: "Was macht unsere Unternehmenskultur aus? Welche Werte sind uns wichtig?" Beantwortet werden die Fragen nicht verbal, sondern mit 3-D-Modellen aus Legosteinen. Da alle das Spielmaterial aus ihrer Kindheit kennen, spricht dieser Ansatz emotional an. Die Teilnehmer einer solchen Runde nähern sich der Frage aus einer anderen Perspektive und kommen spielerisch zu neuen Ergebnissen. Anschließend tauschen sie sich über die Modelle aus, kombinieren, bearbeiten und ergänzen diese.

Das Thema, das gerade auf der Agenda steht, wird dadurch mit Händen greifbar. In der Weiterbildung eignet sich das Spiel mit den bunten Steinchen, um Kreativität zu fördern. Die Lernenden lösen eine Aufgabe und nähern sich über Iterationen einer Visualisierung, die meist sehr originell und doch realistisch ist. Laut Witzmann lautet die Frage dahinter: "Was wäre die Lösung, wenn wir nicht limitiert wären?" Er ergänzt: "Jeder findet sich wieder. Jeder kann sich ausdrücken." Über das Denken in 3-D lassen sich Sprachbarrieren überwinden, und die Ideen Einzelner werden am Ende in eine Gesamtlösung integriert.

"Ich fordere die Teilnehmer eines Trainings beispielsweise dazu auf, die Bäckerei oder auch die Stadt der Zukunft zu bauen", erzählt Witzmann. "Wäre es nicht toll, in einem Ohrensessel darauf zu warten, dass das duftende Brot aus dem Ofen geholt wird? Die Bäckerei würde nicht nur treue Kunden gewinnen, sondern mit einer guten Tasse Kaffee und einem leckeren Stück Kuchen aus eigener Produktion auch noch zusätzlich Umsatz machen." Werde Kreativität auf diese Weise bewusst eingeübt, falle es in Projekten leichter, zu innovativen Lösungen zu kommen, die häufig die Erwartungen der Kunden sogar überträfen. Auch in diesen setzt rising systems Lego Serious Play häufig ein. Witzmann selbst sieht sich als "Nutznießer von Pluralität". Er gewöhnte sich im Lauf seines Berufslebens an, erst mal eine Nacht darüber zu schlafen, wenn ihm der Vorschlag eines Mitarbeiters spontan nicht einleuchtet: "Man profitiert unwahrscheinlich davon, auf Ideen aufzubauen, das Positive herauszukitzeln."

Fazit

Niederschwellige Angebote wie leicht zu erlernende Methoden aus dem Agile- und Scrum-Umfeld ermöglichen es jedem IT-Unternehmen, seine Auszubildenden individuell zu fördern. Wer sein Potenzial entfalten kann, bringt nicht nur bessere Leistungen, sondern fühlt sich auch enger an seinen Arbeitgeber gebunden. Die hier vorgestellten Methoden stellen nur einen Bruchteil innovativer Weiterbildungsmethoden dar. Es lohnt sich, sich auf die Suche zu machen nach Ansätzen, die zum eigenen Unternehmen passen. Davon profitiert das gesamte Unternehmen – und nicht zuletzt die Kunden.

Weitere Informationen

[Bow21] S. L. Bowman; Training from the Back of the Room! 65 Wege, in Trainings Raum fürs Lernen zu schaffen, dpunkt, 2021

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Astrid Schau

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Zu Inhalten
Dr. Astrid Schau berät Unternehmen und Organisationen in der Kommunikation. Während des Studiums schrieb sie für eine Tageszeitung. Es folgten gut zehn Jahre in einer Full-Service-Agentur. Seit 2012 ist sie selbstständig und betreut Kunden aus dem IT- und Beratungsumfeld.

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