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Zuse, Nixdorf und Plattner: Wo ist nur unsere digitale Souveränität geblieben?

Die Corona-App, mit der Infektionsketten digital verfolgt werden können, ist ein kommunikatives Desaster. Der Schaden ist so groß, dass viele Bürger mit einer Installation zunächst zögern werden, wenn eine solche App endlich verfügbar ist. Es wird sehr schwer werden, den mit der App intendierten Nutzen überhaupt noch zu erreichen.
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Stefan Wess

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  • 26.06.2020
  • Lesezeit: 3 Minuten
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Dabei war die Chance so groß: Eine zügige, europäische Initiative mit großartigem Konzept, die technologisch brillant und datenschutzrechtlich völlig unbedenklich ist, wurde zerredet und totdiskutiert. Schade. Wie erfolgreiche Beispiele aus anderen Ländern zeigen, wäre selbst ein mittelmäßig begabter Entwickler in der Lage, eine solche App in kurzer Zeit zu erstellen. Wie üblich, Deutschland diskutiert, Amerika macht? Wo bleibt nur unsere digitale Souveränität?

„Wie üblich, Deutschland diskutiert, Amerika macht?“

Wir sind abhängig von ausländischen Prozessoren, Kommunikationsnetzen, Betriebssystemen, Suchmaschinen, sozialen Netzwerken und der Cloud. Unternehmen wie das chinesische Huawei oder das CIA-nahe PALANTIR unterwandern vielleicht sogar schon schleichend unsere innere und äußere Sicherheit und verschaffen sich so Zugang zu den wirklich sensiblen Daten.
IT-Unternehmen weltweit nutzen die aktuelle Pandemie, um ihren Einfluss auszuweiten. Und dies alles im Land von Zuse, Nixdorf und Plattner, in dem gleichzeitig die klassischen Schlüsselindustrien wie Automobil- und Maschinenbau ums Überleben kämpfen. Verstehen Sie mich nicht falsch. In einer marktwirtschaftlichen, globalisierten Welt ist Arbeitsteilung durchaus nützlich. Sobald es aber um die allgemeine Daseinsvorsorge geht, und für mich gehört in Teilen die IT inzwischen dazu, ist eine (Teil-)Souveränität ein klares politisches und ökonomisches Gebot. Diese digitale Souveränität muss dabei nicht unbedingt im nationalen, sie kann auch gerne im europäischen Rahmen realisiert werden.
Neben dem Aufbau einer europäischen Cloud-Infrastruktur hat die Bundesregierung in ihrer Kabinettssitzung am 11. Februar 2020 ein Strategiepapier zur Stärkung der digitalen Souveränität beschlossen. Darin heißt es: „Zur Erlangung einer digitalen Souveränität und Resilienz gegenüber hybriden Bedrohungen soll die Abhängigkeit von ausländischen Informationstechnologien reduziert werden. Dies gilt insbesondere mit Blick auf Schlüsseltechnologien.“ Dazu gehört insbesondere auch der kritische Bereich der Künstlichen Intelligenz. Dass eine digitale Souveränität auch in einer globalisierten Welt durchaus machbar ist, zeigen übrigens nicht nur die autoritären Staaten wie Russland und China, die zwar nicht direkt als Vorbild taugen, aber inzwischen in der IT auf Augenhöhe mit westlichen Ländern agieren, dazu zählt auch das Unternehmen Apple. Es hat sich aus eigener Kraft immer wieder aus dem digitalen Würgegriff von IT-Giganten wie Microsoft, Intel und Google befreit. Es setzt voll auf eigene Betriebssysteme, Kartendienste, Prozessoren und eigene KI. Auch, wenn dies nicht immer und in allen Bereichen gelingt und selbst Apple manchmal auf IT-Ökosysteme angewiesen ist, so ist das Unternehmen im Wesentlichen digital souverän. Es kann sein digitales Schicksal daher weitgehend selbst bestimmen, ähnlich wie übrigens auch Amazon. Wichtig hierfür war neben Geld und sehr viel Geduld auch der klare Wille hierfür. Genau in dieser Reihenfolge.

„Was Apple und Amazon können, kann Europa im Prinzip auch“

Was Apple und Amazon können, kann Europa im Prinzip auch. Wenn es denn nur will und die dafür notwendige Geduld aufbringt. Eine Regierung kann hier nur die Rahmenbedingungen setzen. Sie muss den Willen in Richtung einer digitalen Souveränität eindeutig vorgeben. Entscheiden tun am Ende wir. Jeder Einzelne von uns, jeden Tag. Wir sollten hier die richtigen Entscheidungen treffen und geduldig, Schritt für Schritt unsere digitale Souveränität zurückgewinnen. Die COVID-19-Pandemie zeigt einmal mehr, dass dies für uns als Gesellschaft sehr wichtig ist.

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Stefan Wess

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Dr. Stefan Wess ist geschäftsführender Gesellschafter der Empolis Management GmbH, anerkannter Hightech-Experte und KI-Pionier. Er ist außerdem Mitglied im Aufsichtsrat des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), im Vorstand der Science & Innovation Alliance Kaiserslautern sowie Kurator der Fraunhofer Gesellschaft.

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